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Krieg oder Frieden / Die arabische Revolution und die Zukunft des Westens

Krieg oder Frieden / Die arabische Revolution und die Zukunft des Westens

Titel: Krieg oder Frieden / Die arabische Revolution und die Zukunft des Westens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hamed Abdel-Samad
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Auch die Öffnung der Rafah-Grenze kann als eine moralische Entlastung für Israel betrachtet werden, denn dadurch können Personen und Güter passieren, die vom ägyptischen Militär kontrolliert werden. Dies macht sowohl eine Seeblockade von Gaza als auch eine Show-Hilfs-Flottille aus dem Ausland überflüssig.
    Während Israel fast der erste Staat war, der die Anerkennung des neugeborenen Südsudans im Juli 2011 ankündigte, warb die israelische Diplomatie bei vielen Staaten dafür, den Antrag der Palästinenser in den Vereinten Nationen auf die Anerkennung eines unabhängigen Staates abzulehnen. Die Begründung dafür lautete, ein Palästinenserstaat könne nur durch bilaterale Verhandlung entstehen. Nun verhandeln die Palästinenser und die Israelis seit 1991, und es ist bisher nicht zu einer Realisierung dieses Traumes der Palästinenser gekommen. Natürlich lag das nicht nur an der israelischen Siedlungspolitik, sondern auch an der Sturheit von Arafat und am Terror der Hamas. Doch das Hinauszögern der Entstehung eines mündigen, überlebensfähigen Staates wird den Radikalen immer neue Argumente für die Gewalt liefern. Ein kluger Schachzug der Israelis wäre die Annahme des Angebots des saudischen Königs Khalid aus dem Jahr 1975, das Israel auffordert, sich in die Grenzen von 1967 zurückzuziehen und dafür eine Anerkennung Israels von allen arabischen Staaten zu bekommen. Dieser Vorschlag wurde vom jetzigen saudischen König wiederholt. Dies würde die Hamas in Bedrängnis bringen. Erkennt sie Israel an, so stellt sie das eigene Existenzrecht in Frage. Lehnt sie ab, dann kann Israel der Entstehung eines Palästinenserstaates nur in der Westbank zustimmen. Gaza könnte dazustoßen, wenn die Hamas einlenkt oder durch die eigene Bevölkerung entmachtet wird.
    Aber auch die arabischen Staaten haben früher mehrere Chancen verpasst, als Israel nach dem Sieg im Sechs-Tage-Krieg 1967 anbot, die besetzten Gebiete zurückzugeben, wenn die Araber im Gegenzug das Existenzrecht Israels nicht mehr bestreiten. Auch Arafat ging im Jahre 2000 auf die Zugeständnisse des damaligen israelischen Premierministers Ehud Barak nicht ein, weil er auf dem Rückkehrrecht für alle palästinensischen Flüchtlinge beharrte. Immer kommt die eine Seite mit einem Vorschlag, wenn die andere Seite nicht imstande ist, diesen zu akzeptieren. Heute gilt die Besetzung der Golanhöhen und von Teilen der Westbank als Garantie für die Sicherheit Israels. Das ist zwar ein klarer Verstoß gegen das Völkerrecht, doch die Sonderlage Israels macht diese Haltung nachvollziehbar. Denn weder bei den Palästinensern noch bei den Syrern und auch nicht bei den Libanesen gab es in den letzten Jahren einen Anführer vom Kaliber Sadats, dem Israel als Friedenspartner wirklich vertrauen konnte. Israel kann nun darauf hoffen, dass nach Assad und Mubarak demokratische Regime in Ägypten und Syrien entstehen, die sich von alten nationalistischen Denkmustern lösen und pragmatisch mit der Situation umgehen.
    Man muss beide Seiten in Haftung nehmen. Auch die jungen Menschen in Gaza müssen begreifen, dass Hass, Terror und der Märtyrerkult keine Lösung für ihre Probleme sein können, denn diese feindselige Haltung veranlasst Israel immer wieder dazu, Gaza anzugreifen, die Infrastruktur zu zerstören und viele Menschen, darunter viele Zivilisten, zu töten. In der Westbank hingegen kam es in den letzten Jahren vor allem unter der Regierung Fayyads, aber auch durch israelische Unterstützung zu einer positiven wirtschaftlichen Entwicklung, weil von dort aus keine Terroranschläge verübt wurden. Statt nur Israel für ihr Leiden verantwortlich zu machen, müssen die Menschen in Gaza nach dem Feind im Inneren suchen. Und dieser heißt Hamas. Gaza braucht einen eigenen Tahrir-Platz.
    Auch die Palästinenser müssen Zugeständnisse machen, wenn sie ihren Traum vom eigenen Staat wahr werden lassen wollen. Das Recht zur Rückkehr aller palästinensischen Flüchtlinge ist ein Hindernis für jede Regelung des Problems. Denn die Rückkehr von über vier Millionen Palästinensern aus dem Libanon, aus Syrien, den Golfstaaten, Jordanien, Ägypten, Nordamerika und Europa würde Israels Ende bedeuten. Abgesehen davon, dass die meisten dieser Flüchtlinge nicht in Palästina geboren sind und in vielen Fällen längst Bürger anderer Staaten geworden wären, wenn diese Staaten dies gewollt und zugelassen hätten, wäre die Rückkehr all dieser Menschen eine enorme Belastung für

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