Krieg oder Frieden / Die arabische Revolution und die Zukunft des Westens
er sich als Verteidiger und Garant des Friedens, für den Hausgebrauch verwendeten er und seine Minister eine völlig andere Rhetorik. Deshalb kann man ihn nicht als Mann des Friedens bezeichnen, weil er statt eine Erziehung zum Frieden eine Erziehung zum Hass förderte.
Während Demonstranten auf dem Tahrir-Platz ihre Opfer zählten und Vermisste suchten, kam die Nachricht, der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu würde in Europa und den USA dafür werben, Mubarak gegen die Freiheitsbewegung zu unterstützen, da er ein zuverlässiger Partner im Friedensprozess sei. Dies hat nicht unbedingt zu mehr Israel-Hass in Ägypten geführt, denn der Hass auf den jüdischen Staat war schon seit seiner Entstehung fester Bestandteil der ägyptischen Identität. Doch am nächsten Tag waren auf dem Platz deutlich mehr Plakate zu sehen, die Mubarak mit dem Davidstern zeigten und als zionistischen Agenten bezeichneten. Netanjahus Vorschlag steht in einer langen Tradition der israelischen Außenpolitik, die zwar für die Sicherheit Israels effektiv, doch für die Etablierung eines wirklichen Friedens kontraproduktiv war. Inspiriert von Netanjahus Appell, kündigte der Cousin des syrischen Diktators Assad, Rami Makhlouf, im Interview mit der »New York Times« an, dass die Stabilität von Assads Regime eine Garantie für die Sicherheit Israels sei. Auch Gaddafi schickte laut Bericht der »Jerusalem Post« Anfang Juli eine geheime Delegation nach Israel, um das Image Libyens zu verbessern. Die Delegation traf die Oppositionsführerin Livni und Vertreter der libyschstämmigen Juden, denen Gaddafi große Summen Geld anbot, um die »libysche Sache« zu unterstützen. Zwei Regime, die früher stark antiisraelisch waren, entdecken nun ihre tiefe Freundschaft zum jüdischen Staat, um Entlastung zu finden.
Der israelische Premier konnte oder wollte nicht begreifen, dass Mubarak und die anderen Diktatoren nicht ewig künstlich beatmet werden können und dass für die Demonstranten am Tahrir-Platz Jerusalem nicht der Nabel der Welt ist. Es ist zwar viel verlangt, dass Israel diesen Prozess nur als Zuschauer von außen beobachtet, doch nur Konzepte von gestern anzuwenden oder in Panik über den möglichen Sieg der Islamisten zu verfallen hilft Israel auch nicht. Den Hass auf Israel, den nicht nur die Islamisten, sondern auch die Linken stetig nähren, werden die Araber nicht binnen Wochen überwinden können. Sogar der stellvertretende Vorsitzende der traditionsreichen liberalen Wafd Partei, Ahmed Ezz El-Arab, leugnete neulich in einem Interview mit der »Washington Times« den Holocaust und behauptete, die Anschläge auf das World Trade Center »9/11« seien von den Amerikanern selbst inszeniert worden und die Tagebücher von Anne Frank seien Fälschungen.
60 Jahre der systematischen Erziehung zum Hass sowie die Instrumentalisierung von Feindbildern haben die Köpfe vieler Menschen in der arabischen Welt geformt, und es bedarf langer Aufklärungsarbeit, bis sich diese weitverbreitete Haltung ändern kann.
Was Israel tun kann ist, sich zum Recht der Völker auf Selbstbestimmung zu bekennen, die Palästinenser freilich eingeschlossen. Ein demokratischer Staat wie Israel kann auf Dauer seine Existenz nicht durch labile Abmachungen mit Diktatoren sichern und braucht neue demokratische Verbündete in der Region. Leider kamen bislang aus Israel keine neuen politischen Signale, die davon zeugen, dass das Land die Botschaften aus Ägypten und Tunesien verstanden hat.
Statt auf die Palästinenser mit einer neuen Perspektive für einen wirklichen Frieden zuzugehen, enttäuschte Netanjahu in seiner Rede in den USA mit der gewohnten Rhetorik. Die völkerrechtlich relevanten Grenzen von 1967 lehnte er ab, weil diese nicht zu verteidigen seien. Eine Logik, die nicht eben eine Bewegung nach vorne signalisiert, sondern die Rückbesinnung auf die Sicherheitspolitik der 1960er Jahre.
Und so verharrt Israel in der Defensive und beschwert sich über die Versöhnung von Hamas und Fatah in Kairo, über die Öffnung der Grenze zwischen Gaza und Ägypten und den Plan der Palästinenser, den eigenen Staat auszurufen, obwohl alle drei Vorhaben eine Chance in sich bergen. Denn die Versöhnung kam auf Druck der jungen Menschen in Gaza und im Westjordanland zustande, die von den Revolutionen in Ägypten und Tunesien inspiriert waren und damit drohten, auf die Straße zu gehen, falls die verfeindeten Fronten ihre Differenzen nicht hinter sich lassen.
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