Krieg um den Mond (German Edition)
und holte langsam einen Schwung Briefe heraus. Es stimmte tatsächlich. Briefe. Briefe. Briefe. Und alle an sie adressiert: Frau Anne Winkler, ESA, Robert-Bosch-Straße 5, 64293 Darmstadt.
Sie nahm die zweite Kiste in Augenschein. Zu oberst lag die Bild-Zeitung mit einem großen Foto von ihr auf der Titelseite. „Junge Wissenschaftlerin rettet die Welt“, prangte ihr in übergroßen Buchstaben entgegen.
„Das gibt es nicht“, flüsterte Anne tonlos.
Sie überflog die nächsten Zeitungen. Sie dramatisierten nicht so extrem, aber in der Tendenz waren sie ähnlich. Fast überall war ihr Foto auf der Titelseite, entweder zusammen mit einem Foto der Schraube oder einem Bild der Raketenkollision.
Das musste sie zuerst verdauen. Sie holte einen Stoß Zeitungen und packte ihn auf ihren Schreibtisch. Genug Material für die nächste Stunde.
Anne merkte nicht, wie Olaf ins Zimmer kam, so vertieft war sie in ihre Lektüre.
„Hallooo! Frau Winkler! Reden Sie nicht mehr mit normalen Menschen?“
Anne sah verdutzt auf. „Ach, du. Natürlich rede ich mit dir. Ich habe dich nur nicht gehört.“
„Tja, wenn man so berühmt ist.“ Olaf ließ seinen Blick über die Post- und Zeitungsstapel schweifen. „Wie fühlt man sich denn so als Supergirl?“
„Was soll das? Ich bin ganz normal. Ich muss das alles bloß begreifen.“
„Das ist doch nicht so schwer.“ Irgendwie klang Olaf anders als sonst. „Die Welt stand vor einer großen Krise und durch deine Entdeckung hat sie jetzt wieder Hoffnung.“
„Durch unsere Entdeckung! Ich habe nichts alleine gemacht.“
„Aber sie sehen nur dich - jedenfalls, wenn man die Zeitungen liest.“
Ist Olaf etwa eifersüchtig, weil er nicht in der Zeitung ist?
„Du hast alles geplant. Ich habe nur getan, was du mir gesagt hast.“
Olaf nahm einen Stapel Briefbögen, die Anne inzwischen aus den Umschlägen geholt hatte, und blätterte darin herum.
„Du bist eben nicht nur ein Held. Du bist auch noch jung, weiblich und sexy. Genau das, was die Presse so liebt. Ein gefundenes Fressen für sie.“
„Das habe ich mir nicht ausgesucht.“
Ihre Stimme schien nicht bis zu Olaf durchzudringen. Er blätterte weiter in den Briefen und warf dann den Stapel auf die Zeitungen vor Anne.
„Und Verehrer hast du ja jetzt auch reichlich, wie ich sehe.“
„Hey, Olaf. Was ist los?“
„Viel Spaß noch - Supergirl.“
Bevor Anne etwas erwidern konnte, fiel die Tür ins Schloss.
Was war das denn für ein Auftritt? Olaf ist wirklich eifersüchtig.
Anne war sich keiner Schuld bewusst, aber das änderte im Moment nichts.
Vielleicht treffe ich ihn heute Mittag in der Kantine. Hoffentlich hat er sich bis dahin wieder so weit normalisiert, dass wir miteinander reden können.
Anne schob den Gedanken beiseite und nahm sich die Briefe vor. Wenn sie mit all dem klarkommen wollte, musste sie systematisch vorgehen. Sie legte drei Stapel an: Einen für Verehrerpost - von der es tatsächlich überraschend viel gab, einen zweiten Stapel für Journalisten & Co, wie sie es nannte, und einen dritten für den Rest.
Nach kurzem Überlegen entschied Anne sich, die E-Mails auszudrucken und auch auf die Stapel zu verteilen. Das war zwar irgendwie altmodisch, aber für gewöhnlich war es ihr lieber, ein Papier in der Hand zu halten als alles am Bildschirm zu lesen. Außerdem konnte sie so besser den Überblick behalten.
Das Drucken der Mails dauerte länger als gedacht. Ein Blick auf die Uhr sagte ihr, dass der Nachmittag schon fortgeschritten war. Zu spät für ein Mittagessen.
Was soll’s? Ein Kilo abnehmen ist immer gut.
Die Arbeit mit ihrer Post war auch zu interessant.
Spontan entschied Anne sich für den Stapel „Journalisten & Co“. Den wollte sie sich zuerst vornehmen. Die Verehrer konnten warten und der Rest musste leider auch - obwohl die eine oder andere interessante Sache dabei war, wie Anne beim Sortieren auf die Schnelle festgestellt hatte.
Was Anne bei den Journalisten am meisten reizte, waren die Einladungen zu Interviews für Zeitungsartikel und für Talkshows. Nicht, dass sie noch berühmter werden wollte. Dieser Gedanke kam ihr nicht in den Sinn. Anne war besessen davon, von ihrem Lieblingsthema zu erzählen, dem Mond. Vielleicht konnte sie auf diesem Weg mehr Menschen dafür begeistern. Noch am gleichen Nachmittag kam sie einigen Wünschen um Rückruf nach. In den Stunden bis zum Abend füllte sich ihr Terminkalender. Erst kurz vor 20:00 Uhr hörte Anne auf, denn ihr
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