Krieg um den Mond (German Edition)
Menschenmenge vor einer us-amerikanischen Tankstelle zu beruhigen. Die Szene wechselte. Eine riesige Woge türmte sich an einem Pier auf, überflutete ihn und riss eine ganze Häuserzeile weg. Das anschließende Flimmern zeugte davon, dass es auch die Kamera erwischt hatte. Ein Flugzeugträger kam ins Bild, von dem mit mächtigem Donnern ein Kampfjet startete, begleitet von aggressiver Musik.
Urplötzlich verstummte jegliches Geräusch. Der Flug der chinesischen Abfangrakete erfolgte in vollkommener Stille. Genauso die Explosion, die zur Vernichtung der amerikanischen Mondmission geführt hatte.
Ein Wappen wurde eingeblendet: „President of the United States“. Ein Sprecher erschien und erklärte, man hätte den Vormarsch gestoppt. Die Flotte würde vor Hawaii eine Warteposition einnehmen.
Szenenwechsel.
Ein chinesischer Sprecher erklärte, man wäre bereit über ein Moratorium wegen der Deviseninterventionen zu verhandeln.
Szenenwechsel.
Berlin. Eine Stunde vor dem Council. Ein Politiker sprach in ein Mikrofon. Er äußerte sich erfreut, dass es endlich eine Perspektive für eine friedliche Lösung zu geben schien. Deutschland würde selbstverständlich seinen Beitrag dazu leisten.
Szenenwechsel.
Paris. „... Frankreich wird keinesfalls zögern, sondern jegliche Unterstützung leisten, die für den Weltfrieden notwendig ist ...“
Szenenwechsel.
Brüssel. „Wenn es zum Frieden beiträgt, wird die Europäische Union selbstverständlich alle nötigen finanziellen Mittel bereitstellen.“
Das Licht dimmte hoch. Die Teilnehmer des Council waren zu erfahren, um nicht zu wissen, dass, während sie hier saßen, eine psychologische Lawine ins Rollen gekommen war. Welcher Politiker könnte es in so einer Stimmung wagen, sich gegen eine Aktion für den Frieden auszusprechen? Alle würden sich überbieten in Vorschlägen und Großzügigkeit und sich als Kämpfer für den Frieden positionieren.
Die anschließende Diskussion im Council drehte sich nur kurz um Dr. Bardouin. Man erteilte ihm eine förmliche Rüge, weil er eigenmächtig gehandelt hatte. Die meisten Teilnehmer waren froh, als dieser Punkt endlich erledigt war. Viel interessanter war das viele Geld, das plötzlich in Aussicht stand.
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47. Anne
Als Anne am anderen Morgen wieder ihr kleines Büro bei der ESA betrat, fühlte sie sich wie gerädert. Der Council in Paris war optimal verlaufen. Das Ergebnis hätte besser nicht sein können und die Perspektiven für die weitere Arbeit waren mehr als gut. Trotzdem hatte das Ganze an ihren Kräften gezehrt. Irgendwie musste sie den Tag herumkriegen.
„Ich sollte schon heute Mittag Schluss machen“, murmelte sie. „Verdient habe ich es mir.“
Bewaffnet mit einer großen Tasse extra starkem Kaffee machte Anne sich daran, ihre E-Mails zu checken. Weil sie unterwegs gewesen war, hatte sich einiges angesammelt. 275 zeigte die Zahl neben dem Schriftzug „Posteingang“. Ungewöhnlich viele. Hatte der Spam-Filter versagt, der sonst den Müll herausfilterte? Hatte er nicht. Die Absender sagten Anne nichts, aber die ersten Klicks auf die E-Mails zeigten ihr, dass wirklich sie gemeint war.
Erst nachdem es zum dritten Mal an ihre Tür klopfte, reagierte Anne.
„Ja, bitte!“, rief sie abwesend, ohne den Blick vom Bildschirm zu nehmen.
Ein junger Mann kam herein. „Sie haben Post, Frau Winkler.“
„Legen Sie sie auf die Ablage“, murmelte Anne, immer noch mit ihren E-Mails beschäftigt.
Der junge Mann räusperte sich. „Ich glaube, das wäre nicht gut für die Ablage.“
„Sehen Sie nicht, dass ich beschäftigt bin?“ Die Müdigkeit ließ Anne reizbarer sein als sonst. Anne sah auf.
„Was wollen sie mit den Kisten bei mir?“
Hinter dem Mann stand ein kleiner Schubwagen mit zwei Kisten, wie sie für Büroumzüge bei der ESA verwendet wurden, was häufiger vorkam.
„Entschuldigung. Das ist Ihre Post.“
Anne starrte abwechselnd den Mann und die Kisten an. „Das ist jetzt nicht Ihr Ernst? Wir haben keinen ersten April.“
Es war sein Ernst. Anne sah es ihm an. Langsam stand sie auf und ging um ihren Schreibtisch herum.
„Das Interview ist anscheinend gut angekommen. In der zweiten Kiste sind übrigens die Zeitungen, die wir für Sie in den letzten beiden Tagen gesammelt haben.“ Der junge Mann packte die Kisten auf den Boden und schob den Wagen wieder hinaus.
„Viel Spaß beim Lesen!“
Anne erwiderte nichts. Fassungslos griff sie mit beiden Händen in die erste Kiste
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