Krieg um den Mond (German Edition)
Kowalev übersehen. Die beiden Frauen nahmen sich minutenlang in den Arm. „Ich habe euch alle sehr vermisst.“
Für mehr blieb keine Zeit. Der Count-down war schon fortgeschritten. Es dauerte nicht lange, bis die Triebwerke zündeten und ein gewaltiges Tosen die Zuschauer erreichte. Die fröhliche Begrüßungsstimmung wich einer Anspannung, wie sie bei jedem Raketenstart zu spüren war. Heute war sie noch stärker als sonst, denn es handelte sich nicht um irgendeinen Kommunikationssatelliten. Hier stand eine Mission auf dem Spiel, wie es sie in der Geschichte der Raumfahrt noch nicht gegeben hatte - und um die beinahe ein Weltkrieg ausgebrochen wäre.
Langsam bewegte sich der Koloss in die Luft. Er ritt auf dem blendend hellen Feuer senkrecht in die Höhe. Alle Augen verfolgten seinen Weg, bis man nur noch seinen Rauchschweif sehen konnte. Die Minuten verstrichen, während alle den Atem anhielten. Endlich signalisierte der Missionsleiter: „Alles okay.“
Applaus brandete auf. Die gefährliche Phase war gut überstanden. Die Rakete war auf Kurs. Die Anspannung, die trotz aller Routine und gründlicher Vorbereitung auf der Mannschaft gelegen hatte, fiel ab wie ein großer Sandsack, der einen Heißluftballon am Abheben gehindert hatte. Jetzt konnte man feiern.
Dr. Bardouin köpfte einige Flaschen Champagner, den er eigens aus Frankreich mitgebracht hatte.
Zur Pressekonferenz am anderen Vormittag erschien Anne nicht. Sie befürchtete, dass die Reporter sich hauptsächlich auf sie stürzen würden, weil sie das bekannteste Gesicht war. Das war nicht fair, fand sie. Schließlich hatten die anderen die Arbeit gemacht und die Mondmission in Rekordzeit auf die Beine gestellt. Dann sollten sie auch eine Gelegenheit haben, sich zu präsentieren.
Stattdessen nutzte Anne die Gelegenheit, um mit Elena einen Ausflug in die kleine Garnisonsstadt Kourou zu machen, die dank der europäischen Raumfahrtindustrie aufgeblüht war. Auf dem Markt wanderten sie zwischen Bergen von aufgetürmten exotischen Früchten und Gewürzen wie Cayenne-Pfeffer, Safran und Zimt umher. Nach gut einer Stunde Fahrt mit einem Katamaran erreichten sie die Insel, auf der die Franzosen früher Schwerverbrecher und politische Gefangene untergebracht hatten. Anne kannte sie aus dem Bestseller „Papillon“. Glücklicherweise gab es heute niemanden mehr, der Haie anfütterte, damit sie in der Nähe der Insel blieben, um die Gefangenen von einer Flucht über das Meer abzuhalten. Die seltenen, bunten Wasservögel waren Anne und Elena doch lieber.
Auf dem Rückflug hatte Dr. Bardouin leichtes Spiel, Anne davon zu überzeugen, in der nächsten Zeit wieder bei der ESA zu arbeiten. Sie hatte die Popularität aus vollen Zügen genossen, aber die Sehnsucht dem Weltall nahe zu sein, lebte nach wie vor in ihr. Sie war eher noch gewachsen. Bei den Begegnungen in Kourou hatte Anne gespürt, was ihr in den letzten Monaten gefehlt hatte.
Sie wollte live dabei sein, wenn der europäische Rover über den Mond rollte, um die Herkunft der geheimnisvollen Schraube zu klären - auf dem Kurs, den sie berechnet hatte - um die Herkunft der seltsamen Schraube zu klären.
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49. Darmstadt
Wieder arbeitete sich ein menschengebautes Fahrzeug über die staubige, lebensfeindliche Oberfläche des Mondes. Dieses Mal standen die Schriftzüge ESA und Roskosmos auf jeder Seite. Flug und Landung waren planmäßig verlaufen und dank der Unterstützung durch die NASA hatte das Landemodul in relativer Nähe zur Schraube aufgesetzt. Diverse Simulationen hatten es dem Team nahegelegt, auf einen ausreichenden Sicherheitsabstand zu achten. Es wäre nicht förderlich gewesen, den Fundort der Schraube mit einer dicken Schicht von aufgewirbeltem Staub zu überziehen.
Anne verlegte ihre Mondlandschaft in einen größeren Raum und markierte den Landeplatz mit einem leuchtenden, roten „X“. Eine ebenfalls rote Linie führte, leicht gezackt aber im Wesentlichen geradeaus, von dem „X“ in Richtung Schraube. Diese Fotos lagen jetzt für jeden sichtbar an der Fundstelle. Es war nicht mehr nötig sie vor irgendjemandem zu verbergen. Überhaupt war ihre Mondlandschaft kein Geheimnis mehr, denn als das erste Fernsehteam sie entdeckt und einen Bericht davon gesendet hatte, interessierten sich plötzlich alle dafür. Für das Fernsehen war es die ideale Kulisse, wenn über die Fortschritte der Mond-Expedition berichtet wurde - und das war in diesen Tagen oft der
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