Krieg um den Mond (German Edition)
zwar nicht ernst, aber irgendwie tat es gut, abends nach einem anstrengenden Tag in einem sterilen Hotelzimmer darin zu lesen und mit einigen netten Komplimenten einzuschlafen.
Anfangs versuchte Anne Olaf anzurufen, erreichte aber immer nur die Mailbox. Rückrufe gab es keine. Sie konnte sich das nicht erklären, aber viel Zeit, um darüber nachzudenken, ließen die zahlreichen Verpflichtungen ihr nicht.
Die hohe Auslastung durch Termine führte dazu, dass Anne nicht mehr realisierte, wie viel Zeit verging. So war sie sehr überrascht, als sie einen Brief der ESA mit einer Einladung erhielt.
Sehr geehrte Frau Winkler,
wir freuen uns, dass die Vorbereitungen für unsere Mond-Mission nun abgeschlossen sind. Wir möchten Sie dazu einladen, den Start persönlich in Kourou zu erleben. Die Daten können Sie den beiliegenden Tickets entnehmen.
Mit freundlichen Grüßen
Dr. Louis Bardouin
P.S.: Ich freue mich sehr auf ein Wiedersehen.
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48. Kourou, Französisch Guayana
Der Brief mit der Einladung war eine echte Überraschung. Anne konnte es kaum fassen.
So viel Zeit ist vergangen? Unglaublich.
Anne rechnete auf dem Kalender nach. Es waren erst sechs Monate her. Normalerweise dauerte die Vorbereitung solch einer Mission Jahre. Das war seltsam aber anderseits auch nicht weiter wichtig. Sie würde Dr. Bardouin danach fragen. Erst jetzt fiel ihr auf, wie sehr sie ihn vermisst hatte.
Sicher ist auch Olaf dort. Ob wir zusammen im Flieger sind?
Ab jetzt kreisten ihre Gedanken nur noch um dieses eine Ereignis. Ärgerlicherweise schien die Zeit nach diesem Brief nur in Zeitlupe zu verstreichen. Früher waren die Zeiger über das Zifferblatt gehetzt, jetzt legten sie zwischendurch Pausen ein.
Endlich war der Tag da. Voller Spannung stieg Anne ins Flugzeug, aber leider waren von ihren Kollegen nur solche dabei, die sie bloß flüchtig kannte. Der Flug verlief ereignislos und war doch auf eine besondere Art und Weise beeindruckend. Wenn Anne aus ihrem Fenster sah, gab es nur Wasser. Wasser ohne Ende. Gelegentlich konnte sie ganz klein ein Schiff erkennen. Eine Stunde später war immer noch Wasser zu sehen. Und dann wieder Wasser. Zehn Stunden lang. Man bekam ein ganz anderes Gefühl für die Größe der Ozeane - und der Welt.
Und der Weltraum ist noch unendlich viel größer.
Als Anne durch die Flugzeugtür ins Freie trat, hatte sie das Gefühl, gegen eine Mauer zu laufen. Die Luft war dick und schwül. Von einer Sekunde auf die andere war sie durchgeschwitzt. Es war, als ob man die Sauerstoffmoleküle zwischen der Feuchtigkeit einzeln suchen musste.
Der europäische Weltraumbahnhof lag mitten im Urwald von Französisch-Guayana, knapp sechs Grad nördlich des Äquators, nur wenige Kilometer vom Atlantik entfernt und von diesem durch einen dichten Mangrovengürtel getrennt. Palmen ragten in den Himmel. Aber alles überragend stand sie da, die Ariane-5 ECA. Die Schwerlastrakete, mit der die Mondmission zur Bergung der geheimnisvollen Schraube abheben sollte. Mehr als fünfzig Meter hoch ragte sie in den blauen Himmel.
Dr. Bardouin bereitete nahm Anne herzlich in den Arm. Zeit zum Erzählen war jetzt nicht. Zuerst war der Start der Rakete wichtig. Auf dem Weg zum Aussichtsturm erkundigte Anne sich, wie die Mission so schnell startklar sein konnte.
„Die russischen Kollegen haben hervorragende Arbeit geleistet. Vieles war schon fertig, womit man aber erst nach dem Einverständnis des ESA-Council an die Öffentlichkeit gehen konnte. Und weil unsere Mission plötzlich von weltweitem Interesse war, haben wir unseren Terminplan komplett umgestellt. Die Rakete, die schon für einen anderen Transportauftrag bereitstand, haben wir in Akkordarbeit umgerüstet. Das Ergebnis erleben Sie heute.“
Inzwischen waren sie angekommen.
General Kowalev entdeckte Anne als Erster. „Unsere Heldin ist da“, dröhnte Kowalev verbunden mit seinem typischen Lachen.
Wie gut es Anne tat, diese Stimme zu hören. Ihr war gar nicht aufgefallen, wie sehr sie ihr Team vermisst hatte. Anne sah sich um.
„Wo ist Olaf? Ich kann ihn nirgends entdecken.“
„Der ist nicht mitgekommen. Er meinte, er hätte zu viel zu tun“, erklärte Dr. Bardouin. „Ich habe ihn kaum gesehen in der letzten Zeit. Er hat sich zurückgezogen.“
Kowalev sah die Enttäuschung in Annes Gesicht. „Aber es ist jemand anderes da, der sich sehr auf Sie freut.“
Kowalev trat zur Seite.
„Elena!“ Anne hatte sie hinter dem breiten Kreuz von
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