Krieg um den Mond (German Edition)
möglich.
„Falls Sie das nicht selbst sofort in die Wege leiten, werde ich sehr schnell genügend Stimmen der anderen Mitglieder beisammenhaben, um den Council zu erzwingen.“
Damit hatte Dr. Bardouin gerechnet. Es hatte ihn bloß interessiert, wer sich zuerst melden würde. Lord Carrington also, der alte Haudegen aus England. Die Engländer hatten großes Verständnis, wenn es um Alleingänge ging - aber meistens nur für ihre eigenen.
Die Einladung zum Council, in dem jeder ESA-Mitgliedsstaat vertreten war, war bereits vorbereitet. Natürlich wollte der Council Rechenschaft von ihm haben. Sie würden einigermaßen angesäuert über das nicht abgesprochene Vorgehen von Dr. Bardouin sein. Der ausgestrahlte Text war auch nicht das, was sich einzelne Regierungen schon immer gewünscht hatten.
Dr. Bardouin hatte lange mit Olaf und Anne über ihr Vorgehen diskutiert. Glücklicherweise brachte Olaf als Kommunikationswissenschaftler professionelles Know-how mit. Unter seiner Leitung gelang es, ein Gesamtkonzept zu entwickeln. Olaf hatte erklärt, wie wichtig es sei, klare und unmissverständliche Worte zu wählen. Er hatte sie überzeugt, eine synchrone Ausstrahlung weltweit zu organisieren - was ein kleines Meisterwerk war. So waren alle an allen Orten gleichzeitig auf dem gleichen Stand. Niemand hatte einen Informationsvorteil, den er gegenüber anderen nutzen konnte. Aber das Wichtigste: Es war für alle Bedenkenträger zu spät zum Bremsen. Bei einer Diskussion im Council hätte jeder zuerst mit seiner Regierung Rücksprache halten wollen. Kaum jemand hatte den Mut, sich die Finger zu verbrennen. Als Ergebnis wäre bestenfalls ein Text mit der Durchschlagskraft eines Weihnachtslieds herausgekommen. Also waren sie volles Risiko gegangen.
Jetzt hieß es: Koffer packen. Selbstverständlich flogen sie zu dritt nach Paris in die Zentrale der ESA. Bei diesem Thema waren sie zu einem eingespielten Team zusammengewachsen.
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46. ESA-Zentrale, Paris
Zwei Tage später saßen Dr. Bardouin, Anne und Olaf in dem großen, holzgetäfelten Konferenzraum und warteten auf die letzten Teilnehmer des ESA-Council. Überall rund um den Tisch war leises Gemurmel zu hören. Anspannung lag in der Luft und die Blicke, die Dr. Bardouin musterten, waren nicht unbedingt freundlich.
So musste sich Martin Luther auf dem Reichstag zu Worms gefühlt haben, mit dem Unterschied, dass ihm damals der regierende Kaiser freies Geleit zugesichert hatte. Dieses Versprechen besaßen Dr. Bardouin, Anne und Olaf nicht. Hier zählte nur, ob ihre Taktik aufging oder nicht.
Ob es Dr. Bardouin schaffen wird, diese mühsam zurückgehaltene Angriffslust in den Griff zu bekommen?
Anne sah in die Runde. Einige wichen ihrem Blick aus. Anderen war es anzusehen, dass sie nur aus lange eingeübtem Anstand warteten, bis das Wort freigegeben wurde.
Wer wird als Erste r loslegen? Wer wird folgen und den Weg bereiten, dass die Meute sich auf uns stürzen kann?
Anne spürte, wie Dr. Bardouin neben ihr aufstand. Als Generaldirektor gehörte es zu seinen Aufgaben, das Council zu eröffnen.
„Guten Tag, meine Damen und Herren.“ Dr. Bardouin machte eine kurze Pause, um sicherzugehen, dass jeder alles mitbekam. „Lassen Sie uns auf jegliches diplomatische Geplänkel verzichten. Deshalb gibt es heute keine freundliche Begrüßungsrede.“
Spätestes jetzt hatte er die volle Aufmerksamkeit.
„Ich an Ihrer Stelle würde mich ärgern. Wahrscheinlich wäre ich sogar wütend und würde nur darauf warten, dass ich endlich mit der Faust auf den Tisch hauen könnte.“
Dr. Bardouin erntete überraschte Blicke. Mit solch einem Anfang hatte niemand gerechnet. „Ich habe Sie nicht gefragt, obwohl ich das von der Satzung her hätte tun müssen. Und dann habe ich Dinge gesagt, für die mich einige von Ihnen am liebsten in der Luft zerreißen würden.“
Wieder eine Pause, um die Worte wirken zu lassen. Die wütende Anspannung machte einer gewissen Neugier Platz.
„Ich werde Ihnen gleich Gelegenheit geben, über mich herzufallen. Vorher möchte ich jedoch Dr. Olaf Bürki bitten, eine Präsentation zu zeigen.“
Bevor einer der überrumpelten Teilnehmer ein Wort einwenden konnte, zerriss ein ohrenbetäubender Schuss die entstandene Stille. Das Licht dimmte herunter und auf den großen Wandbildschirmen war ein Mann zu sehen, der zusammenbrach. Polizisten eilten herbei und noch mehr Schüsse fielen. Sie versuchten vergeblich, eine aufgewiegelte
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