Krieg um den Mond (German Edition)
Fall.
Man schaffte einen ganzen Lastwagen voll Technik herbei. Fünf Beleuchter montierten ein gutes Dutzend Scheinwerfer, um alles optimal auszuleuchten, was dazu führte, dass die Temperaturen Sahara-Werte erreichten. Dazu kamen vier fest montierte sowie zwei mobile Kameras, von denen mindestens eine dauernd zu arbeiten schien.
Anne hatte immer die Einstellung vertreten, dass Wissenschaft unter den Augen der Öffentlichkeit stattfinden sollte - aber so öffentlich? Das hatte sie sich doch anders vorgestellt, dachte sie, als sie schwitzend die rote Linie um ein paar Zentimeter verlängerte.
Der Rover kam gut voran und dank der Markierungen war die Orientierung kein Problem. Heute saßen Millionen Zuschauer weltweit vor den Bildschirmen, um die zweite Entdeckung der geheimnisvollen Schraube live zu erleben. Das Timing war keine große Sache. Umso größer waren die Anstrengungen der Sender aus dem eigentlich harmlosen Ereignis ein bedeutendes Event zu machen. Dr. Bardouin war das ganz recht. Die ESA verdiente gut an den Lizenzen für die Ausstrahlung. Olaf hatte entsprechende Verhandlungen geführt und seinen Job sehr gut gemacht. Das Geld war hochwillkommen.
Die unerwarteten Finanzmittel hatten zur Überraschung von Dr. Bardouin nicht nur positive Seiten. Früher formulierte jeder Projektleiter seine Ansprüche und beantragte die Mittel, die dann gekürzt wurden, worauf er sich über die Knauserigkeit der Geberländer ärgerte. Heute formulierte jeder Projektleiter größere Ansprüche und beantragte mehr Mittel, die dann gekürzt wurden, worauf er sich über Dr. Bardouin und das Entscheidungsgremium ärgerte.
Trotzdem war Dr. Bardouin bestens gelaunt. Der Fortschritt auf dem Mond tat gut. Aber vor allem änderte sich die Einstellung der Menschen. Immer mehr erkannten, dass die Forschung im Weltraum sehr wohl etwas mit unserem Leben auf der Erde zu tun hat - unabhängig davon, was man tatsächlich auf dem Mond finden würde.
Zufrieden schlenderte Dr. Bardouin zu dem zentralen Überwachungsraum, um die zweite Entdeckung der Schraube auf dem großen Bildschirm zu verfolgen. Er fand Anne in der ersten Reihe.
„Hallo, Frau Winkler. Dieses Mal sind die Umstände wohl etwas anders, als zu der Zeit, in der Sie die Schraube entdeckt haben.“
„Das kann man wohl sagen. Trotzdem ist es spannend.“ Anne zögerte einen Moment. „Wo ist eigentlich Olaf?“
„Der hat um einen Telearbeitsplatz gebeten. Er wählt sich über eine gesicherte Verbindung von zu Hause aus bei uns ein.“ Dr. Bardouin musterte sie aufmerksam. „Eigentlich schade. Sie waren so ein gutes Team.“
„Ja, schade.“ Anne wusste nicht wirklich, was sie sagen sollte.
Dr. Bardouin sah Anne vielsagend an. „Ich habe ihm den Telearbeitsplatz für drei Monate genehmigt.“
In diesem Moment erfasste die Spezialkamera des Rovers die Schraube, so dass Anne nicht auf die letzte Bemerkung von Dr. Bardouin reagieren musste. Obwohl nichts Neues zu sehen war, spürte man, wie die meisten anwesenden Mitarbeiter den Atem anhielten. Jedem war bewusst, etwas Besonderes zu sehen, und es gab wohl kaum jemanden, der sich nicht fragte: „Was steckt dahinter?“
Nach einem lange diskutierten Schema machte der Rover mit seinen beiden Kameras Überblicks- und Detailaufnahmen. Dann kam der spannende Moment, in dem der Greifarm die Schraube aufnahm und in einem Spezialbehälter verstaute. Dort lag sie sicher eingebettet in einem Granulat, das die Stöße, die bei einer Landung auf der Erde unvermeidlich waren, absorbieren sollte. Eine Anzahl Steine aus der direkten Umgebung verschwanden in weiteren Behältern. Vielleicht konnten sie in Vergleichsanalysen Aufschluss darüber geben, wie lange die Schraube an dieser Stelle gelegen hatte.
Mit dem erfolgreichen Verschließen des letzten Behälters legte sich die Anspannung spürbar, was man deutlich an den Witzeleien ablesen konnte.
„Mist. Wir haben etwas vergessen!“
„Was?“, fragte ein anderer erschrocken.
„Wir hätten noch Fingerabdrücke nehmen sollen.“
Allgemeines Gelächter.
„Auf jeden Fall haben wir das teuerste Stück Altmetall eingesammelt, das es je gegeben hat.“
„Ich werde einen Antrag für das Guiness-Buch der Rekorde stellen.“
„Hat die ESA überhaupt eine Lizenz als Schrotthändler?“
Dr. Bardouin war stolz auf seine Mannschaft. Sie hatten viel bewegt in den letzten Wochen - und er war sicher, in den nächsten Wochen würde sie noch mehr bewegen. Der Rover
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