Krieg um den Mond (German Edition)
alles herausfinden, möchte ich es Ihnen sofort erklären: Es gab keine andere Möglichkeit, die Mission fortzusetzen. Der Einspruch der USA gilt nicht, da Frau Winkler nicht für die ESA fliegt - und Russland wählt sich seinen Teilnehmer souverän aus. Nehmen Sie unsere Entscheidung als Beweis dafür, wie wichtig wir diese Mission erachten, und für unser Vertrauen.“
Anne bekam von dem weiteren Verlauf nichts mit. Sie war spät gekommen und an der Wand neben der Tür stehen geblieben. Noch während der Erklärung Kowalevs verschwand sie unbemerkt. Sie wollte die Tränen der Freude ungestört fließen lassen.
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60. Start
Es grenzte an ein Wunder, dass die Vorbereitungen für den Start rechtzeitig abgeschlossen wurden. Niemand beschwerte sich über doppelte Schichten. Die Teamarbeit mit dem gemeinsamen Ziel setzte bei jedem die letzten Kraftreserven frei.
Anne stand vor der Herausforderung, zusätzlich zu dem engen Programm einiges nachzuholen, was sie als fünfte Teilnehmerin nicht so intensiv hatte trainieren können. Dr. Bardouin musste es persönlich übernehmen, ihrem speziellen Eifer Grenzen zu setzen und verbot ihr, die Nächte durchzumachen.
„Es ist niemandem gedient, wenn Sie beim Start ausgebrannt sind. Sie müssen topfit sein.“
Okay, das sah sie ein. Aber dass sie die restliche Zeit ohne Pause arbeitete, lies sie sich nicht verbieten. Nur einmal, am Morgen vor dem Start, verschwand Anne für eine Stunde. Bei allen Glückwünschen, die ihr ausgesprochen worden waren, hatte sie eine nicht vergessen: Elena. Anne benötigte ihre ganze Überredungskunst, um dem Arzt in der Krankenstation eine halbe Stunde Besuchszeit bei Elena abzutrotzen.
Elena tat ihr leid, wie sie da lag zwischen den Geräten und Schläuchen. Müde sah sie aus.
Elena hat auch einen Traum gehabt und hart dafür gearbeitet. Und jetzt? Vielleicht sind es nur fünf Sekunden Unachtsamkeit gewesen. Das Leben kann hart und ungerecht sein.
Anne nahm Elenas Hand. Elena schlug die Augen auf und sah Anne an.
„Jetzt fliegst du doch. Dein Traum wird wahr.“
„Es tut mir so leid, dass du bleiben musst.“
„Pssst!“, bremste Elena. „Du musst nicht traurig sein. So ist das Leben manchmal. Wer weiß, wozu es gut ist.“
„Ich wollte nie, dass mein Traum auf deine Kosten wahr wird.“
Elena war einen Moment still. Dann lächelte sie Anne an.„Ich habe dich vorgeschlagen. Ich wollte, dass du für mich fliegst.“
Anne drückte ihre Hand. „Danke!“
„In vier Wochen erzählst du mir, warum das alles richtig war. Versprochen?“
„Versprochen.“
„Und einen schönen Stein will ich haben.“
„Den bekommst du. Den schönsten, den ich finden kann. Auch versprochen.“
Der Abschied von den anderen fand in einer kleinen Zeremonie statt. Dr. Bardouin hielt eine kurze Ansprache, in der er nochmals die Bedeutung der Mission hervorhob und allen gutes Gelingen wünschte. Anne und Fang Si standen in ihren Monturen auf der einen Seite des Rednerpults neben ihm, Olaf und Bullrider auf der anderen Seite. Es war kurz und schmerzlos, denn die Zeit drängte.
Während die Mitarbeiter sich auf ihre Plätze begaben, fuhren die Astronauten mit dem Fahrstuhl hinauf zur Spitze der Rakete, auf der sich das Wohnmodul befand. Eine kleine Brücke führte vom Startgerüst hinüber zum Eingang.
Olaf fungierte als Kommandant und führte die Gruppe an. Bullrider folgte ihm. Anne warf einen Blick hinunter in die Tiefe, dann ging auch sie. Jeder Schritt war ein Schritt zum Ziel ihres Traums. Die startbereite Rakete zu betreten, war ein heiliger Moment für sie. Anne schloss die Augen. Diesen Augenblick würde sie nur einmal in ihrem Leben erfahren.
„Tok. Tok. Tok“, riss sie ein lautes Klopfen aus ihren besinnlichen Gedanken. Bullrider hieb mit seiner breiten Faust auf die Wandung der Rakete.
„Hoffentlich taugt dieses europäische Blech etwas und bringt meinen Hintern wieder heil auf die Erde“, dröhnte er.
Anne war konsterniert. „Wenn Ihr Hintern nicht so fett wäre, würden wir viel Geld sparen. Jedes Ihrer Kilos kostet zwanzigtausend Dollar, um es hochzuschießen.“
„Das ist kein Fett. Das sind alles Muskeln.“
„Umso schlimmer. Muskeln wiegen noch mehr als Fett. Das sollten Sie wissen.“
Der heilige Moment war unwiederbringlich gestorben und Anne musste sich beherrschen, Bullrider nicht in seine hinteren Muskeln zu treten. Wie konnte man sich bloß so benehmen? Jetzt wurde der Traum ihres Lebens erfüllt -
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