Krieg um den Mond (German Edition)
Rudern in entgegengesetzter Richtung brachte wieder nichts. Ungebremst krachte sie an die gegenüberliegende Wand.
„Scheiße!“
An die Fortbewegung in der Schwerelosigkeit musste man sich echt gewöhnen. Jede schnelle Bewegung wurde sofort bestraft. Jetzt hatte sie die weitere Diskussion verpasst. Als sie an ihrem Ziel ankam, war Fang Si schon verschwunden.
„Was sollte das denn?“, stellte Anne Bullrider zur Rede.
Bullrider war immer noch geladen und fuhr herum. Auch zu schnell. Er drehte sich wie ein Kreisel weiter.
Auch Helden haben ihr e Probleme.
Jetzt hatte er sich abgebremst.
„Was das soll? Dieses Biest schnüffelt überall herum. Das gefällt mir nicht.“
„Warum soll sie sich nicht die Station ansehen? Das tun wir schließlich auch.“
„Meine Güte, was sind Sie naiv. Die Chinesen waren schon immer scharf auf alles, was mit der ISS zu tun hat. Jetzt ist zum ersten Mal einer von ihnen hier. Das ist ein Jackpot für sie. Meinen Sie, die macht nur Sightseeing?“ Bullrider geriet in Rage. „Unsere Mission ist die teuerste und wichtigste, die Menschen jemals unternommen haben. Glauben Sie, die Chinesen schicken uns eine bessere Krankenschwester für unser Lebenserhaltungssystem?“
„Das sind alles nur Vermutungen. Sie haben keine Beweise.“
„Beweise? Ich habe einen gesunden Menschenverstand. Und bis eben dachte ich, Sie hätten auch einen, selbst wenn ich Sie nicht leiden kann.“ Bullrider drehte sich um - dieses Mal langsam - und schwebte davon.
„Wer hat mich nur mit so einer Mannschaft bestraft“, hörte Anne noch.
Selbst wenn die Station alle 90 Minuten einen Hell-Dunkel-Rhythmus erlebte, gab es im Inneren eine regelmäßige Schlaf- und Arbeitszeit. Wegen des sehr begrenzten Platzes konnte man den Gästen nur zwei Schlafkojen anbieten, die anderen mussten im Freien schlafen. Olaf schlug vor, die Kojen den Frauen zu überlassen.
„Das sehe ich nicht ein“, wehrte Bullrider ab.
Anne hatte nichts anderes erwartet. Er konnte weder sie noch Fang leiden. Warum sollte er zuvorkommend sein?
„Frauen zu bevorzugen ist eine Beleidigung“, ergänzte Bullrider.
Olaf war erstaunt. „Das müssen Sie mir erklären.“
„Ganz einfach. Das ist eine Tradition aus der Zeit, in der Frauen als schwach betrachtet wurden. Da haben die harten Männer auf die weichen Frauen aufgepasst. Diese Einstellung ist ja fast schon eine Beleidigung. Wir haben Gleichberechtigung, aber vielleicht ist das noch nicht bis Europa durchgedrungen.“
„Nicht schlecht argumentiert“, musste Anne zugeben. Bis auf die spitzte Bemerkung am Schluss, aber das brauchte Bullrider anscheinend.
„Dann losen wir“, schlug sie vor.
„Hurra! Es gibt doch intelligentes Leben östlich des Atlantiks.“
Bullrider und Fang Si zogen das Los für die erste Nacht und Olaf und Anne für die zweite. Während die beiden anderen sich jeweils in ihre Koje zurückzogen, sah Anne sich hilflos um.
„Und wo schlafen wir?“
Olaf lachte. „Ganz einfach: an der Wand.“
„Das glaub ich jetzt nicht.“
„Das machen die anderen Astronauten in der ISS auch, wenn es nötig ist. Du hast Schlaufen am Schlafsack. Damit bindest du dich an einem Stuhl oder einem Griff fest, damit du nicht im Schlaf durch die Station schwebst. Dann gibt es noch eine Augenklappe und Ohrstöpsel und die Nacht ist perfekt.“
„Ich kann niemals schlafen, wenn ich mir vorstelle, an der Wand zu hängen.“
„Du kannst dich ja unter die Decke hängen. Vielleicht geht das besser.“
„Arschloch!“ Etwas anderes fiel Anne nicht ein.
Die ausgeloste Kombination bot den Vorteil, dass Anne ungestört mit Olaf reden konnte. In der engen Raumkapsel war kein privates Gespräch möglich gewesen. Anne erzählte ihm von dem Vorfall mit Bullrider.
„Möglicherweise hat er Recht“, urteilte Olaf.
„Glaubst du auch, dass Fang Si eine Agentin ist?“
„Vernünftig ist das, was Bullrider sagt. Und wenn ich es mir recht überlege: In meinen ganzen Gesprächen mit ihr habe ich nicht eine persönliche Sache von ihr gehört.“
„Stimmt. Ich auch nicht. Und Bullrider?“
„Genauso wenig wie Fang Si Krankenschwester ist, ist Bullrider Wissenschaftler. Die Amerikaner haben mit Sicherheit einen absoluten Elitemann geschickt. Typ Kämpfer, knallhart, hochintelligent, lupenreiner Patriot.“
„Also zwei Elitesoldaten, die sich gegenseitig den Dreck unter den Fingernägeln nicht gönnen.“
„So ungefähr.“
„Und wir sind zwei harmlose,
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