Krieg um den Mond (German Edition)
und dann mit so einer Begleitung! Das würde noch etwas geben.
Endlich hatte sich Bullrider durch die enge Öffnung gezwängt. Er setzte sich auf den Platz neben Olaf, der für die Kommunikation zuständig war. Bullrider hatte als Pilot das Raumschiff zu steuern. Anne saß etwas versetzt hinter ihm. Ihre Aufgabe war die Navigation. Sie musste vor allem Bullrider zuarbeiten. Fang Si kam ohne Mühe durch den schmalen Eingang und auf ihren Platz schräg hinter Olaf. Es war, als ob sie sich nie woanders bewegt hätte. Sie hatte die Lebenserhaltungssysteme zu überwachen und sich, um die medizinische Versorgung zu kümmern falls nötig, was natürlich niemand hoffte.
Während der zwei Stunden bis zum Start waren alle voll beschäftigt mit dem Check ihrer jeweiligen Systeme. Eine Klarmeldung folgte der nächsten. Der Count-down wurde gut sichtbar auf ihren Bildschirmen hinuntergezählt. Dann waren sie durch. Während die Zahlen vor ihren Augen kleiner wurden, stieg der Adrenalinspiegel in ihren Adern.
Bei 00:00 explodierte es weit unter ihnen. Die Triebwerke zündeten mit ohrenbetäubendem Lärm, der trotz Kopfhörer scheinbar ungehindert zu ihnen durchdrang. Selbst wenn sie nichts gehört hätten, sie hätten ihn gespürt. Die gesamte Rakete vibrierte, als ob die Schallwellen materialisieren wollten. Anfänglich war es nur ein Gefühl wie in einem Fahrstuhl auf den ersten Etagen. Aber der Fahrstuhl stoppte nicht. Er beschleunigte weiter und weiter, wobei sie immer fester in ihre Sitze gepresst wurden.
Weiße Fetzen flogen an den kleinen Fenstern vorbei. Wolken, wusste Anne. Ihr Herz schlug auf höchster Stufe. Der Himmel begann, dunkler zu werden. Das strahlende Blau wechselte zu Dunkelblau und wurde langsam zu Schwarz. Der mörderische Druck ließ nach und machte der Schwerelosigkeit Platz. Es war ähnlich dem Parabelflug und doch ganz anders. Viel extremer. Das Blut, das sich der Andruckkraft folgend aus dem Kopf zurückgezogen hatte, war jetzt im Überfluss da. Trotz Training dauerte es seine Zeit, bis Anne sich konzentrieren konnte. Den anderen ging es ähnlich.
Bullrider schien es am wenigsten auszumachen. Als Kampfpilot war er extremen Andruck gewohnt. Er gab schon wieder erste Klarmeldungen an die Zentrale.
Anne kam gar nicht dazu, die Sternenpracht zu genießen, die sich vor ihr auftat. Konnte man von der Erde aus vielleicht fünftausend Sterne mit bloßem Auge sehen, waren es jetzt fünf Millionen. Mindestens. Aber Anne sah nur auf ihren Bildschirm. Auch wenn der Kurs zu diesem Zeitpunkt im Wesentlichen von den Bordcomputern gesteuert wurde, musste sie doch alles kontrollieren. Kleinste Abweichungen hatten verheerende Folgen. Immerhin galt es, bei einer Geschwindigkeit von mehreren tausend Kilometern pro Stunde ein Ziel zu treffen, das sich ebenfalls schnell bewegte. Im Unterschied zu einem Auto konnte man eine Rakete nicht wenden, wenn man das Ziel verpasst hatte.
Alles war okay. Die Systeme funktionierten reibungslos. Die Startvibrationen hatten keinen Schaden angerichtet. Die Rakete war zu 100 Prozent auf dem richtigen Kurs. Langsam baute sich das Adrenalin ab und Anne hatte einen Moment Zeit zu realisieren, wo sie war: im Weltraum. Auf dem Weg zum Mond. Unfassbar!
Die erste Station auf der langen Reise war die ISS. Seit 1998 im Bau war sie bis heute zu dem größten von Menschen erbauten Objekt im Orbit gewachsen. Bereits lange vor der Ankunft sah man sie schon auf den Radarschirmen. Stunden später konnte Anne sie als kleinen Lichtpunkt zwischen den anderen Sternen ausmachen.
„Soll ich auf manuelle Steuerung umschalten?“, fragte Bullrider.
„Warum?“
„Das ist mir einfach lieber. Ich traue der Automatik nicht.“
„Wir bleiben bei der Automatik“, entschied Olaf. „Sie hat sich beim Andocken der ATVs bewährt.“
„Sie sind der Kommandant“, grummelte Bullrider.
Ob es wieder die europäische Technologie is t, der Bullrider nicht vertraut?
Egal. Sie war mit Olafs Entscheidung zufrieden. Inzwischen konnte sie erste Einzelheiten der Station erkennen. Vor allem die Flächen mit den Solarzellen sahen beeindruckend aus. Sie sorgten für eine Spannweite von mehr als einhundert Metern.
„Wie ruhig sie dort schwebt“, stellte Anne fest.
„Ja. Man kann gar nicht glauben, dass sie sich mit fast 30.000 Kilometern in der Stunde bewegt“, stimmte Olaf zu.
So schnell flogen sie auch selbst, ohne es zu merken. Den geringfügigen Geschwindigkeitsüberschuss hoben die Steuerdüsen
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