Krieg um den Mond (German Edition)
Technikern hatte Gordon keine Freude an der Langeweile auf dem Mond. Ihn trieb es immer wieder zu Balton. Es war schon Abend und Gordon stand vor Baltons Schreibtisch.
„Wie sieht es aus?“
Mehr brauchte Gordon nicht zu sagen. Balton wusste, was Gordon meinte. Mindestens zweimal pro Tag stand Gordon hier und nervte ihn mit den Fragen nach den Benutzerzahlen. Und jedes Mal hatte Balton schlechte Nachrichten für Gordon.
„Die Nutzerzahlen sind weiter eingebrochen.“
Gordon wusste es. Trotzdem regte er sich auf. „Was heißt ‘eingebrochen’? Ich dachte, sie wären nach der Landung schon eingebrochen.“
„Richtig. Die Landung war ein kleiner Höhepunkt zwischendurch und dann ging die Quote runter auf 5%. Jetzt sind wir noch tiefer gerutscht.“
„Mallone hat mir eben gesagt, dass AOL, T-Online und die Japaner gekündigt haben. ALLE! Wissen Sie, was das für uns bedeutet?“
„Wir verdienen nichts mehr“, stellte Balton trocken fest.
Er war erstaunlich gelassen, wie jemand, der schon lange ahnt, was kommen wird, und den es deshalb nicht mehr erschreckt.
„Wir verdienen nichts mehr. Genau das ist es. Und was tun Sie?“
Gordon war aufgebracht und sein Kopf leuchtete rot.
„Was ich tue? Ich habe die Server abgeschaltet. Die wenigen Klicks schafft eine unserer Maschinen allein.“
„Das habe ich nicht gemeint“, schrie Gordon und das Rot wurde eine Spur dunkler. „Ich will wissen, was Sie tun, damit es besser wird.“
„Nichts!“
Gordons Augen quollen hervor, aber Balton machte ungerührt weiter. Gordons Reaktion schien ihn sogar zufrieden zu stellen.
„Ich kann nichts tun. Sie liefern langweilige Bilder. Alles grau in grau. Der Rover kriecht wie eine Schnecke ...“
Lassen Sie sich gefälligst etwas einfallen, damit die Quote wieder hoch geht!“
„Erst brauche ich mehr Action da oben. Lassen Sie es spannend werden. Geben Sie mehr Gas!“
„Sie sind wohl übergeschnappt. Das ist doch kein Autorennen.“
„Dann kriegen Sie auch nicht so viele Zuschauer wie bei einem Autorennen.“
Balton hatte Lust am Provozieren bekommen. Er hatte sowieso keine Chance, also … „Wenn Sie es besser können, dann machen Sie es doch.“
„So können Sie nicht mit mir reden ...“
„Kann ich doch! Weil Sie mich sowieso gleich rausschmeißen werden.“ Baltons Zufriedenheit wuchs mit jedem Satz. Er hatte ein Gefühl der Leichtigkeit in seinem Kopf, während Gordons Kopf alles Blut seines Körpers aufzusaugen schien.
„Sie sind gefeuert! Sofort! Verschwinden Sie so schnell wie möglich.“
„Gerne. Ich habe sogar schon gepackt.“ Balton bückte sich, zog eine Kiste unter seinem Schreibtisch hervor und spazierte an dem verdutzten Gordon vorbei.
„Was Sie noch wissen sollten: Meine Schicht hat vor dreißig Minuten begonnen. Ach, ja ... und mein Team ist schon gegangen. Da ist niemand mehr erreichbar. Auf meinem Schreibtisch liegt eine Anleitung, was zu tun ist. Ich wünsche Ihnen viel Spaß an meinem Arbeitsplatz.“
Ohne eine Reaktion abzuwarten, trug Balton seine Kiste durch die Tür und verschwand im Flur.
Gordon stand wie versteinert vor Baltons Schreibtisch. Sein Gehirn fühlte sich an, als ob es in einen Mixer geraten wäre. Im Zeitlupentempo verteilte sich sein Blut von seinem Kopf wieder im restlichen Körper. Langsam setzte Gordon sich in Bewegung und ging um den Schreibtisch herum. Er musste sich dringend setzen und ließ sich in Baltons Bürosessel fallen. Die Schreibtischplatte war fast leer, bis auf die Monitore und ein dünnes Heft mit der Aufschrift „Dienstanweisung“. Gordon nahm es in die Hand und sah sich die Tabelle an, die unter der Überschrift zu sehen war: Datum, Uhrzeit, Name. Hinter dem heutigen Datum stand 20:00 - 8:00, Timothy Balton. Gordon sah auf die Uhr: 20:30. Baltons Schicht hatte tatsächlich gerade angefangen.
Gordon ging seine Optionen durch. Es gab nicht viele. Die Leute aus Baltons Team waren nicht erreichbar. Bei seinem Team war es ähnlich. Nur Teresa war eben noch da gewesen, aber sie hatte von diesem Bereich keine Ahnung. So sehr er nachdachte, es fiel ihm niemand ein, den er her beordern konnte. Ihm dämmerte, dass er für heute verloren hatte. Er hätte Balton erst morgen feuern sollen. Jetzt musste er wohl oder übel in den sauren Apfel beißen und Baltons Schicht übernehmen. Bei aller Automatisierung ließ sich menschliche Überwachung nicht ersetzen. Das würde eine lange Nacht werden nach dem langen Tag, den er schon hinter sich
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