Krieg um den Mond (German Edition)
Etwas Ungewöhnliches an seinem Körper? Nein.
Wieder am PC fand Michael eine neue, einfühlsame E-Mail von seinem Internet-Freund. Das Schreiben schloss mit einer Andeutung, man könnte vielleicht etwas an diesem Schicksal ändern. Das wäre aber wieder ein ziemlicher Aufwand ...
Michael verzichtete auf eine Antwort. Erstens hatte er keinen Scheck mehr, was aber wesentlicher war: Ihn beschlich das Gefühl, dass man ihn letzten Endes doch nur ausnehmen wollte wie eine Weihnachtsgans. Jetzt war er bereit, es zu riskieren.
Die beiden letzten Nächte hatten ihn Alpträume gequält. Gestern hatte Michael einige Vorräte gekauft, hauptsächlich Cola und Chips, damit er an ‘seinem Termin’ nicht nach draußen musste. So konnte er eine Menge Unfallszenarien vermeiden. Heute morgen führte ihn der erste Gang wieder zum Spiegel. Die Ränder um die Augen waren dunkler, Kopfschmerzen pochten. Aber das war schon alles.
Michael verbrachte den Tag auf seinem Bett, sah Fernsehen oder spielte Computer, bis die Übertragung des Raketenstarts begann. Die wollte er sich trotz allem anschauen, denn Raketen fand er toll. Die Kopfschmerzen wurden heftiger, so dass er gleich zwei Aspirin nahm. Während der Fernseh-Übertragung schluckte er weitere Tabletten. Dann konnte er sich an nichts mehr erinnern.
Als Michael aufwachte, war alles schwarz vor seinen Augen. Nur bunte Farben leuchteten auf der Wand hinter seinem Bett.
Ist das die Hölle? Nein.
Es war aber auch nicht der Himmel. Michael drehte sich um. Dort lief der Fernseher, nur ohne Ton. Langsam setzte das Denken wieder ein. Er musste bei den langweiligen Kommentaren eingeschlafen sein. Kein Wunder, so übermüdet wie er war. Irgendwie hatte er es geschafft, den Ton auszuschalten. Michael sah auf die Uhr: 03:39 zeigte die rote Digitalanzeige. Der nächste Tag! Und er lebte.
Man hat mich wieder hereingelegt. Was bin ich für ein Idiot.
Michael hatte schon so viel von Betrug im Internet gehört und gelesen, aber dass es ihn tatsächlich treffen könnte, war ihm im Traum nicht eingefallen. Die Leute waren raffinierter, als er es für möglich gehalten hatte. Sie hatten seine Situation eiskalt ausgenutzt, sein Vertrauen gewonnen, ihn weichgekocht und am Ende abgezockt. Im Nachhinein so simpel und für Unbeteiligte sofort zu durchschauen.
Michael war zu müde, um sich aufzuregen.
Ich bin zu blöde zum Leben. Mein Vater, der schafft etwas Wichtiges. Und ich? Ich werde niemals irgendetwas machen, was für die Welt von Bedeutung ist.
Michael schlief wieder ein. Niemand sagte ihm, dass er sich noch nie so getäuscht hatte wie gerade. Und wenn es ihm jemand gesagt hätte, hätte er es nicht geglaubt.
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12. Darmstadt, zwei Wochen später
Olaf fand Anne in einem abgelegenen Raum der ESA. Das gesamte Mobiliar war weggeschafft und der komplette Fußboden mit weißen Tapetenbahnen bedeckt. Anne kroch auf allen Vieren darüber und verlängerte eine schwarze Linie, die sich in einer unregelmäßigen Spirale vom Mittelpunkt in den Raum ausdehnte. Die Spirale konnte man nur erahnen, da der größte Teil mit Fotos überklebt war.
„Hier bist du. Ich habe die ganze Zeit nach dir gesucht.“
Anne schreckte hoch. Sie war so vertieft in ihre Aufgabe, dass sie nicht gehört hatte, wie Olaf zur Tür hereinkam.
„Ach, Olaf. Schön dich zu sehen“, sagte sie abwesend.
„Das klingt nicht begeistert. Du hast dich rar gemacht seit unserer Party.“
„Ich musste erst wieder zu mir selber finden. Übrigens, vielen Dank, dass du mich in den Sani-Raum gebracht hast, nachdem ich eingeschlafen bin.“
„Keine Ursache. Ich hätte mir aber gewünscht, danach etwas von dir zu hören.“
„Kann ich verstehen. Tut mir auch leid, dass ich mich nicht gerührt habe. Der Abend war schön mit dir, aber ich möchte noch keine Beziehung. Dafür ist in meinem Leben zurzeit kein Platz.“
„Schade!“ Die Enttäuschung war Olaf anzusehen, aber so schnell wollte er nicht aufgeben. „Und was beschäftigt dich so sehr?“
Anne zeigte auf die verteilten Fotos. „Das hier.“
„Das denke ich mir, aber was soll das Ganze?“
„Willst du das wirklich wissen?“
„Über die Abfuhr bin ich zwar nicht begeistert, aber neugierig auf das, was du machst, bin ich trotzdem. Das ist eine angeborene Schwäche von mir.“ Olaf gelang schon wieder ein kleines Lächeln.
„Okay. Das Kreuz in der Mitte ist der Landepunkt des Mond-Rovers und diese Linie ist die ungefähre Fahrtroute. Die Fotos
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