Krieg um den Mond (German Edition)
Bardouin drückte die Mithören-Taste.
„Gut, dass sie alle zusammen sind“, tönte die Stimme von Kowalev aus dem Lautsprecher. „Dass die Chinesen Erfolg gehabt haben, wissen wir, aber uns fehlen Beweise. Die haben Sie. Aber die Entwicklung geht sehr schnell voran. Wir wissen auch schon, wie die Amerikaner reagiert haben. Vor zwei Stunden haben wir heftige Erschütterungen in der Nähe der chinesischen Raketenstartrampen registriert. Seit dem ist eine riesige Rauchwolke über dem Startzentrum zu sehen. Offensichtlich haben die Amerikaner die chinesischen Raketenanlagen zerstört.“
„Wie haben sie das gemacht?“
„Das wissen wir nicht. Aber dass das kein Unfall war, brauche ich Ihnen nicht zu erklären.“
„Nein. Und wie es aussieht, haben die Amerikaner kein Interesse an öffentlicher Aufklärung. Sie schlagen einfach zurück.“
„Was sollen sie auch tun? Den Weltsicherheitsrat einschalten, in dem die Chinesen Vetorecht haben? An die Öffentlichkeit gehen mit irgendwelchen Messwerten, die niemand ohne Erklärung versteht?“
Anne wunderte sich, dass Kowalev die Amerikaner zu verteidigen schien. Ganz Unrecht hatte er nicht. Die UNO war schon bei wesentlich kleineren Konflikten hilflos gewesen und für eine wirksame, öffentliche Information war alles tatsächlich zu diffus. Außer Sachschäden und verletztem Stolz war noch nichts passiert - so würden es die meisten Menschen sehen. Die beginnende Hurrican-Saison, die zu hohen Benzinpreisen führte, war für die Mehrheit das näherliegende Problem.
„Sobald wir hochwertige Fotos haben, werde ich wieder in die USA fliegen“, entschied Dr. Bardouin. „Vielleicht kann ich damit etwas bewegen.“
„Tun Sie das“, pflichtete die Stimme aus dem Hörer bei. „Ich werde mein Glück bei den Chinesen versuchen.“
In den folgenden zwei Wochen sah Anne die Nachrichten mit anderen Augen. Jeden Tag wartete sie auf eine weitere Horrormeldung, aber nichts geschah. Die Welt drehte sich weiter, als wäre nichts passiert. Eine Überschwemmung hier, ein Grubenunglück dort, Inflationsrate wegen der Energiepreise gestiegen, usw.
Man sah ihn nicht, den Krieg. Er fand unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt. Noch.
Anne hatte ihre Doktor-Arbeit abgegeben und konnte über mehr freie Zeit verfügen.
„Endlich!“, freute sich Olaf. Er hatte Ideen für gemeinsame Unternehmungen gesammelt und wollte Anne in der Mittagspause damit überraschen. Er wusste, wann sie ihre Pause machte und beeilte sich, rechtzeitig zur Kantine zu kommen. Tatsächlich konnte er seine übliche Verspätung auf fünf Minuten reduzieren. Seine Augen suchten den Raum ab - und dann sah er sie: hinten in einer ruhigen Ecke an einem kleinen Tisch gemeinsam mit Timothy Balton, dem Neuen aus den USA.
Olaf zögerte. Sollte er sich einfach dazu setzen? Sie unterhielten sich so angeregt, dass ihm irgendwie die Lust abhandenkam. Offen mit Anne reden konnte er sowieso nicht, wenn Balton dabei war. Geistesabwesend nahm Olaf den erstbesten Teller der angebotenen Mahlzeiten aus der Warmhaltevitrine und suchte sich einen Platz, von dem aus er die beiden unauffällig beobachten konnte. Das Gespräch schien ihnen Spaß zu machen.
Als Olaf die erste Gabel in den Mund schob, verzog er das Gesicht. Leber! Ausgerechnet. Das war so ziemlich das einzige, was er beim besten Willen nicht essen konnte. Schon als Kind hatte er eine Aversion dagegen entwickelt, die sich niemals gelegt hatte. Mühsam würgte er den Bissen hinunter. Er spülte mit Mineralwasser hinterher, aber es konnte den Geschmack nicht vertreiben. Eilig holte er sich eine große Cola. Wieder zurück an seinem Platz wollte er seine Beobachtung fortsetzen, aber der Tisch in der Ecke war leer. Anne und Balton waren weg.
„Scheiß Tag!“, fluchte Olaf. Jetzt war ihm der Appetit endgültig vergangen. Hungrig und missmutig verließ er die Kantine.
Olafs Laune wurde um keinen Deut besser, als er zufällig kurz vor Feierabend aus dem Fenster sah und Anne entdeckte, wie sie mit Balton das Gebäude verließ.
Am nächsten Tag wollte er mit Anne reden, aber sie ging nicht ans Telefon. Eine E-Mail kam umgehend mit einer automatischen Antwort zurück:
Abwesenheitsmitteilung!
Ich bin erst ab Montag wieder zu erreichen.
Diese E-Mail wird nicht weitergeleitet.
„Heute ist Mittwoch. Was macht Anne solange?“, grübelte Olaf. Sie hatte ihm nichts von auswärtigen Terminen erzählt. Auf dem Handy erreichte er nur ihre Mailbox.
Der Rest der
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