Krieg und Frieden
senkte den Kopf. Der Kaiser trat wieder in den Saal und blieb noch eine halbe Stunde auf dem Ball.
So hatte Boris zuerst die Nachricht vom Übergang der Franzosen über den Niemen erfahren und benutzte dies auf geschickte Weise, um einigen hochgestellten Persönlichkeiten bemerklich zu machen, daß er vieles wisse, was anderen verborgen sei und dadurch in der Meinung dieser Personen zu steigen.
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Diese Nachricht kam besonders unerwartet nach einer monatelangen Erwartung, und auf einem Ball in der ersten Aufregung hatte der Kaiser diesen später berühmt gewordenen Ausspruch gefunden, der ihm selbst so gefiel. Als der Kaiser von dem Ball zurückgekehrt war, sandte er um zwei Uhr nachts nach seinem Sekretär Schischkow und befahl, eine Proklamation an die Truppen zu schreiben, in der durchaus seine Worte wiederholt werden sollten, daß er nicht Frieden schließen werde, bis kein bewaffneter Franzose mehr auf russischem Boden stehe. Am folgenden Morgen schrieb er einen Brief an Napoleon, worin er seine Bereitwilligkeit zum Frieden aussprach.
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Am 13. Juni um zwei Uhr nachts ließ der Kaiser Balaschew zu sich rufen, las ihm seinen Brief an Napoleon vor und trug ihm auf, den Brief dem französischen Kaiser persönlich zu übergeben. Der Kaiser hatte jene Worte in dem Brief an Napoleon nicht angewendet, weil er sie hier nicht für angebracht hielt, wo er einen letzten Versuch zur Versöhnung machen wollte, aber er schärfte Balaschew ein, sie mündlich Napoleon zu wiederholen.
Begleitet von einem Trompeter und zwei Kosaken ritt Balaschew gegen Morgen nach dem Dorfe Rykonty zu dem französischen Vorposten und wurde von einem französischen Kavallerieposten angehalten. Der französische Husarenunteroffizier in dunkelblauer Uniform und Pelzmütze rief Balaschew zu, zu halten, und als dieser im Schritt weiterritt, rief der Unteroffizier zornig den russischen General an, ob er taub sei. Balaschew nannte seinen Namen, worauf der Unteroffizier einen Soldaten zum Offizier schickte. Eben ging die Sonne auf und die Luft war frisch und tauig. Auf dem Wege vom Dorf wurde eine Herde fortgetrieben. Während Balaschew sich nach dem Offizier umsah, blickten die Kosaken und die Franzosen einander neugierig an. Ein französischer Husarenoberst, der eben erst das Bett verlassen zu haben schien, kam auf einem schönen, wohlgenährten Pferd, begleitet von zwei Husaren, vom Dorf her. Es war die erste Zeit des Feldzuges, wo die Truppen noch in bester Verfassung und in jener heiteren, unternehmungslustigen Stimmung sich befinden, welche immer den Anfang eines Feldzuges begleitet. Der französische Oberst unterdrückte mit Mühe ein Gähnen, war aber höflich und begriff die Bedeutung Balaschews. Er führte ihn an den Soldaten vorüber hinter die Kette und äußerte, sein Wunsch, dem Kaiser vorgestellt zu werden, werde wahrscheinlich sogleich erfüllt werden, da sich das Hauptquartier, soviel er wisse, in der Nähe befinde. Als sie durch das Dorf und an einem Krug vorbeigeritten waren, kam ihnen eine Gruppe Reiter entgegen. An der Spitze derselben erblickten sie einen hochgewachsenen Reiter mit einem Federhut, mit schwarzen, auf die Schultern herabhängenden Haaren und einem roten Mantel. Dieser Reiter kam Balaschew im Galopp entgegen, während seine Edelsteine an Armbändern und Goldstickereien in der Sonne glänzten.
»Der König von Neapel!« flüsterte der französische Oberst.
Es war wirklich Murat, welcher jetzt König von Neapel genannt wurde, obgleich dies ganz unbegreiflich war. Er war so fest überzeugt, daß er wirklich König von Neapel sei, daß er am Abend vor seiner Abreise von Neapel, als einige Italiener ihm bei einem Spaziergang mit seiner Frau durch die Straßen zuriefen: »Es lebe der König!« mit melancholischem Lächeln zu seiner Gattin sagte: »Die Unglücklichen, sie wissen nicht, daß ich sie morgen verlasse.«
Als er den russischen General erblickte, warf er feierlich, in königlicher Haltung den Kopf zurück und blickte fragend den französischen Oberst an. Dieser meldete seiner Majestät den Auftrag Balaschews, dessen Namen er nicht aussprechen konnte.
»De Bal-macheve! Sehr angenehm, Ihre Bekanntschaft zu machen, General!« sagte der König mit gnädiger Gebärde. Sogleich aber verließ ihn die königliche Würde und er verfiel in seinen gewohnten Ton.
»Nun, wie ist's, General, es scheint, es kommt zum Kriege?« sagte er.
»Der Kaiser wünscht keinen Krieg, wie Eure Majestät sehen werden«,
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