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Krieg und Frieden

Krieg und Frieden

Titel: Krieg und Frieden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lew Tolstoi
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Flamme neu empor und beleuchtete die erschreckten Gesichter der Menge.
    »Alpatitsch!« rief eine bekannte Stimme.
    »Väterchen Exzellenz!« rief er, mit Erstaunen seinen jungen Herrn erkennend.
    »Was machst du hier?« fragte Fürst Andree auf seinem schwarzen Pferd.
    »Ach, Exzellenz!« rief Alpatitsch in Tränen ausbrechend. »Ich... Ich... Sind wir denn verloren?«
    »Was machst du hier?« wiederholte der Fürst.
    Alpatitsch erzählte in wenigen Worten seine Erlebnisse. »Aber sind wir denn verloren, Exzellenz?« wiederholte er.
    Fürst Andree zog sein Taschenbuch hervor, riß ein Blatt aus und schrieb mit einem Bleistift einige Worte an seine Schwester.
    »Smolensk wird geräumt. In acht Tagen wird der Feind in Lysy Gory sein. Verlaßt es sogleich und geht nach Moskau! Schicke mir sofort durch einen Boten nach Uswjäsch Nachricht, daß Ihr abgereist seid.«
     
    Kaum hatte er Alpatitsch diesen Zettel übergeben und noch einige mündliche Aufträge hinzugefügt, als ein starkes Krachen ertönte und das Feuer plötzlich erlosch, während dicke Rauchwolken sich erhoben. Das Dach war zusammengestürzt. Bald flammte das Feuer mit neuer Wut auf und beleuchtete alle die bleichen, müden Gesichter umher.
    »Hurra! Hurra!« schrie ein Mann, der den Arm erhob. »Es ist geschehen, Kinderchen! Seht, wie es brennt!« »Das ist der Eigentümer« flüsterten einige Stimmen.
    »Also höre, Alpatitsch«, fuhr Fürst Andree fort, »richte das pünktlich aus!«

153
    Die Truppen setzten den Rückzug von Smolensk aus fort, vom Feind verfolgt. Am 10. August kam das Regiment des Fürsten Andree in der Nähe von Lysy Gory an. Eine drückende Hitze und Trockenheit herrschte schon seit drei Wochen. Das Getreide, welches nicht geschnitten wurde, vertrocknete auf dem Feld, und vergebens suchten die Kühe, vor Hunger brüllend, einige Gräschen auf den Feldern und an den ausgetrockneten Teichen. Auf den staubigen Straßen marschierten die Truppen in dichten Staubwolken von Tagesanbruch an, Wagen und Kanonen fuhren in der Mitte der Straßen, während die Infanterie sich an den Seiten hielt. Der Staub drang in die Nase, Augen und Lungen von Menschen und Tieren. Die Sonne war nur wie eine feurige Kugel durch den dichten, staubigen Dunst sichtbar. In allen Dörfern stürzten die Leute nach den Brunnen und schlugen sich um einen Tropfen schmutzigen Wassers.
    Fürst Andree suchte nach Kräften für sein Regiment zu sorgen, aber jetzt erschien ihm alles in einem düsteren Licht. Smolensk hätte man nach seiner Ansicht verteidigen können und müssen. Sein Vater war krank und zur Flucht gezwungen aus diesem Lysy Gory, das der alte Fürst gebaut hatte und das er über alles liebte. Zum Glück wurde Fürst Andree durch die Sorge für sein Regiment von diesen düsteren Gedanken abgezogen. Rasch näherten sich die Franzosen Moskau. Thiers, der Geschichtsschreiber Napoleons, sucht die Fehler seines Helden zu verdecken, indem er behauptet, er sei gegen seinen Willen bis vor Moskau geführt worden, als ob die Ereignisse dieser Welt von dem Willen eines einzigen Menschen abhängen. Unsere Geschichtsschreiber hätten mit demselben Recht behaupten können, Napoleon sei durch die Geschicklichkeit unserer Generale nach Moskau gelockt worden. Der Verlauf des Krieges aber wird nicht von einem einzigen Willen gelenkt, sondern er ist das Resultat der Reibung und des Zusammenstoßes von tausend verschiedenen Willen und Leidenschaften, welche daran beteiligt sind.
    Nachdem Napoleon Smolensk verlassen hatte, versuchte er vergebens bei Dorogobusch an der Wjäsma, dann bei Sarewo-Saimitschtsche den Feind einzuholen und zum Stehen zu bringen. Verschiedenen Umständen zufolge konnten die Russen erst bei Borodino, erst hundertzwölf Werst vor Moskau, eine Schlacht annehmen. In Wjäsma gab Napoleon Befehl, gerade auf Moskau, die asiatische Hauptstadt des großen Reiches, zu marschieren. Moskau mit seinen zahllosen Kirchen erregte seine Phantasie. Er verließ Wjäsma auf seinem kleinen, isabellafarbigen Pferd, begleitet von seiner Garde, seinen Adjutanten und Pagen. Berthier, der Generalstabschef, war zurückgeblieben, um einen russischen Gefangenen durch einen Dolmetscher verhören zu lassen, und holte dann mit freudestrahlendem Gesicht seinen Herrn wieder ein.
    »Was gibt es?« fragte Napoleon.
    »Ein Kosak, den man gefangen hat, sagt, die Truppen Platows vereinigen sich mit der Hauptarmee, und Kutusow sei zum Obergeneral ernannt worden. Der Bursche ist sehr gesprächig

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