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Krieg und Frieden

Krieg und Frieden

Titel: Krieg und Frieden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lew Tolstoi
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Wagenreihe näherkam. Natalie blickte angstvoll den Verwundeten an. »Können die Verwundeten bei uns im Hause bleiben?« fragte sie den Major.
    Der Major legte lächelnd die Hand an den Schirm. »Was ist Ihnen gefällig, Mamsell?« fragte er lachend.
    Natalie wiederholte ihre Frage mit ernster Miene.
    »O ja, warum nicht?« erwiderte der Major. Der Wagen des Offiziers und noch zehn andere mit Verwundeten fuhren in den Hof ein. Natalie war sichtlich erfreut über dieses ungewöhnliche Ereignis und die Begegnung mit fremden Menschen und bemühte sich, mit Mawra soviel als möglich Verwundete in den Hof hineinzuführen.
    »Aber man muß es doch erst dem Herrn Papa sagen«, meinte Mawra.
    »Ach, das ist doch ganz gleichgültig, wir richten uns auf einen Tag im Salon ein und können ihnen unsere ganze Wohnung überlassen. »Aber bedenken Sie, Fräulein, man könnte doch erst fragen.« Natalie eilte ins Haus und ging auf den Zehenspitzen nach der halb offenen Tür des kleinen Salons, aus welchem ein Geruch von Essig und Hoffmannstropfen herauskam.
    »Mama«, sagte Natalie und ließ sich auf die Knie vor ihrer Mutter nieder, »verzeihen Sie, daß ich Sie geweckt habe! Mawra schickt mich, unten sind verwundete Offiziere, welche kein Unterkommen haben; ich weiß, Sie erlauben es!« sagte sie hastig.
    »Was für Offiziere? Ich begreife nichts!« sagte die Gräfin.
    Natalie lächelte und auch die Gräfin lächelte schwach.
    »Ich wußte, daß sie es erlauben werden!« Und Natalie küßte ihre Mutter, stand auf und ging zur Tür.
    Im Saal begegnete sie ihrem Vater, der mit schlechten Nachrichten nach Hause zurückkehrte.
    »Wir sind zwar lange sitzengeblieben«, sagte der Graf verdrießlich. »Jetzt ist der Klub geschlossen, und die Polizei zieht ab.«
    »Papa, es ist doch recht, daß ich die Verwundeten ins Haus einlud? sagte Natalie.
    »Versteht sich«, erwiderte der Graf zerstreut, »aber jetzt halte dich nicht mit Spielereien auf und hilf einpacken! Wir müssen morgen fort!« Und der Graf erteilte dem Hausmeister und den Dienern denselben Befehl. Petja kehrte zu Tisch zurück und erzählte seine Neuigkeiten. Er erzählte, daß das Volk im Kreml sich bewaffnet habe, und obgleich Rostoptschin in seiner Proklamation gesagt habe, er werde das Volk aufrufen, habe man doch schon wirklich Anordnungen getroffen, daß morgen das ganze Volk nach den drei Bergen bewaffnet hinausziehen werde, und daß dort eine große Schlacht stattfinden werde.
    Die Gräfin beobachtete mit Entsetzen das erregte, gerötete Gesicht ihres Sohns, während er erzählte. Sie wußte, wenn sie ihn zurückhalten wollte, werde er etwas von Männlichkeit, von Ehre und Vaterland sprechen und andere Unsinnigkeiten, auf die sie nichts erwidern konnte, und deshalb hoffte sie, es möglich zu machen, daß sie noch früher abreisen und Petja als Beschützer mitnehmen konnte. Nach Tisch rief sie den Grafen zu sich und flehte ihn mit Tränen an, sie sogleich fortzuführen, noch in dieser Nacht, wenn es möglich sei. Mit unwillkürlicher weiblicher Schlauheit sagte sie, sie sterbe vor Schrecken, wenn man nicht noch heute nacht abfahre.

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    Madame Chausse vermehrte noch die Angst der Gräfin, indem sie erzählte, was sie auf der Mjäsnizkajastraße gesehen hatte, als sie zu ihrer Tochter gehen wollte. Als sie zurückkehrte, lärmten betrunkene Volkshaufen auf der Straße. Sie fuhr mit einer Droschke auf Umwegen nach Hause, und der Kutscher erzählte ihr, daß das Volk die Fässer in einem großen Branntweinlager eingeschlagen habe.
    Nach Tisch machte sich die ganze Dienerschaft mit neuer Hast an die Arbeit. Der Graf ging im Hofe umher, schrie die Leute an und brachte sie noch mehr in Verwirrung. Petja kommandierte auf dem Hof. Sonja wußte nicht, was sie bei den widersprechenden Befehlen des Grafen machen sollte und wurde ganz ratlos. Die Leute liefen schreiend, zankend und lärmend durch die Zimmer, und Natalie beteiligte sich jetzt plötzlich auch mit der ihr eigenen Leidenschaftlichkeit an den Arbeiten. Anfangs wurde ihr Eifer ungläubig aufgenommen, man glaubte, sie scherze und wollte ihr nicht gehorchen. Aber sie verlangte hartnäckig Gehorsam und weinte beinahe vor Zorn, und endlich glaubte man an ihren Eifer. Ihre erste Tat war die Einpackung der Teppiche. Es waren teuere Gobelins und persische Teppiche vorhanden. Im Saal standen zwei offene Kisten, die eine war fast bis oben mit Porzellan gefüllt, die andere mit Teppichen. Auf den Tischen stand noch viel

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