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Krieg und Frieden

Krieg und Frieden

Titel: Krieg und Frieden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lew Tolstoi
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Augenblick den Mut und damit auch die Achtung vor sich selbst verlieren würde. Er hörte und sah nichts und verfolgte nur fast unbewußt den Weg, ohne sich in den Straßen und Gäßchen zu irren, die ihn nach der Powarstraße führten. Je mehr er sich der Powarstraße näherte, desto stärker wurde der Rauch, und er fühlte schon die Hitze des Feuers. Zuweilen stiegen Feuerzungen hinter den Dächern der Häuser auf, er fand immer mehr ängstliches Volk in den Straßen und bemerkte nicht, daß er sich dem Feuer näherte. Als er durch ein Gäßchen kam, hörte er plötzlich neben sich das verzweifelte Weinen eines Weibes. Er blieb stehen, wie aus einem Traum erwachend, und blickte sich um.
    Seitwärts von dem Gäßchen auf einem mit Staub bedeckten Rasen lagen Hausgeräte und Habseligkeiten umher, Samoware, Heiligenbilder, Koffer. Auf der Erde saß neben den Koffern ein hageres Weib mit einer Haube auf dem Kopf, welches verzweifelt weinte. Zwei Mädchen von zehn oder zwölf Jahren in schmutzigen, kurzen Röcken sahen erschreckt nach der Mutter. Ein kleiner Knabe von sieben Jahren mit einer großen Mütze auf dem Kopf weinte in den Armen einer alten Wärterin. Ein barfüßiges, schmutziges Mädchen saß auf einem Koffer, und ein kleiner, dicker Mann in einer alten Uniform, mit radförmigem Backenbart, schob den Koffer zur Seite.
    Als die Frau Peter erblickte, stürzte sie ihm beinahe zu Füßen.
    »Väterchen! Christen! Rechtgläubige! Helft! Helft!« rief sie weinend. »Mein Mädchen ... meine kleine Tochter ist zurückgeblieben ... sie wird verbrennen! Oh! Oh! Oh!«
    »Höre auf, Maria Nikolaijewna«, sagte der Mann mit leiser Stimme zu der Frau. »Deine Schwester wird sie mitgenommen haben, es kann nicht anders sein.«
    »Ungeheuer! Bösewicht!« schrie die Frau, indem sie plötzlich zu weinen aufhörte. »Du hast kein Herz für deine Kinder! Ein anderer würde das Kind aus dem Feuer geholt haben, aber du bist kein Mensch, kein Vater! Sie sind ein edler Mensch!« fuhr sie hastig zu Peter fort. »Es brannte im Nebenhaus, und dann kam es zu uns, ein Mädchen schrie: »Es brennt!« Wir stürzten hinaus, so wie wir standen, nur wenig haben wir noch retten können. Als wir die Kinder hinausführten, fehlte die kleine Katetschka! Oh! O Himmel!« Und wieder weinte sie laut.
    »Was denn, wo ist sie geblieben?« fragte Peter.
    »O Väterchen! Väterchen!« rief sie und umfaßte seine Knie. »Aniska, du Nichtswürdige, geh, begleite den Herrn!« schrie sie zornig mit weitgeöffnetem Mund das Mädchen an.
    »Zeige mir den Ort!« sagte Peter hastig.
    Das schmutzige Mädchen erhob sich und ging barfuß den Fußweg entlang. Peter war wie aus einem schweren Traum plötzlich erwacht. Seine Augen glänzten und er folgte mit raschen Schritten dem Mädchen. Als er in die Powarstraße kam, war die ganze Straße mit schwarzen Rauchwolken erfüllt, aus welchen sich immer wieder feurige Zungen erhoben. Eine große Menschenmasse drängte sich vor die Brandstätte. Inmitten der Straße stand ein französischer General. Peter wollte mit dem Mädchen nach der Stelle gehen, wo der General stand, aber französische Soldaten wiesen ihn zurück.
    »Hierher, Onkelchen!« schrie das Mädchen. »Wir können durch dieses Gäßchen gehen.« Das Mädchen wandte sich zur Linken in ein Gäßchen. »Hier war's«, sagte die Kleine, öffnete eine Hofpforte in einem Zaun und deutete auf ein kleines, hölzernes Haus, das hell brannte. Die eine Seite war eingestürzt, die andere brannte und die Flamme schlug aus den Fenstern und zum Dach heraus. Als Peter durch die Pforte in den Hof trat, empfand er eine erstickende Hitze.
    »Welches ist euer Haus?«
    »Oh! Oh! Oh!« weinte das Mädchen, indem es auf das kleine Haus deutete. »Das ist es! Ach, bist du verbrannt, unser Schatzkästchen, Katetschka? Oh!« heulte Aniska beim Anblick des Feuers.
    Peter näherte sich dem Hause, aber die Hitze war so stark, daß er unwillkürlich einen Bogen um dasselbe beschrieb, so daß er sich vor einem neuen, großen Hause befand, welches noch erst auf einer Seite brannte und um welches sich eine Gruppe Franzosen drängte. Anfangs begriff Peter nicht, was diese Franzosen machten, welche etwas herauszogen, aber als er vor sich einen Franzosen bemerkte, der auf einen Bauern losschlug und ihm einen Fuchspelz abnahm, bemerkte Peter, daß hier geplündert wurde. Doch er konnte dies nicht aufhalten. Das Krachen der einstürzenden Wände und Decken, das Prasseln und Zischen der Flammen,

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