Krieg – Wozu er gut ist
Verwaltungskosten niedrig hielten. Menschen die Freiheit zuzugestehen, ungehindert zu handeln, zu tauschen und zu kaufen, hieß, einen Großteil dieses archaischen Apparats hinwegzufegen und der unsichtbaren Hand freien Lauf zu lassen. Aber irgendetwas musste die alten Garanten für Recht und Ordnung ersetzen, und das einzig verfügbare Etwas war eine Zentralregierung. Märkten erfolgreich ihren Lauf zu lassen war komplizierter, als es aussah. Es ging daher nicht nur darum, dass der Staat sich zurückzog. Vielmehr musste er auf andere Weise einspringen und eine völlig neue Struktur aus unparteiischen Funktionären, Richtern und Beamten stellen, ohne die eine »Ordnung mit Zugangsfreiheit« ( open access order , wie das die bekannten Wissenschaftler Douglass North, John Wallis und Barry Weingast in ihrem Buch Gewalt und Gesellschaftsordnungen nennen) nicht funktionieren konnte.
Allerdings sollten wir Ausmaß und Geschwindigkeit dieses Wandels nicht übertreiben. Nach den Maßstäben des 21. Jahrhunderts waren Staatsapparate im 18. Jahrhundert weiterhin winzig. Die »bessere Gesellschaft« erwartete Ehrerbietung und erhielt sie in der Regel auch. Und Demokratie galt nahezu überall als unflätiges Wort, aber die Interessen der einfachen Leute begannen den Herrschenden zunehmend weniger gleichgültig zu werden. Repräsentation erforderte Besteuerung; und mehr Geld bedeutete, dass der Staat mehr Verwaltungsbeamte brauchte, die den Einfluss des Leviathans peu à peu bis weit in die bürgerliche Gesellschaft hinein ausdehnten. In England, das auf diesem Gebiet führend war, verdreifachte sich die Zahl der Bürohengste zwischen 1690 und 1782, und die Steuereinnahmen versechsfachten sich. »Die Herren sollten nur einmal einen Blick in die Gesetzbücher werfen, die auf unserem Tisch liegen«, mahnte der Earl of Bath 1743. »Es ist monströs, es ist sogar schon grauenhaft, nur ins Register zu schauen, wo wir über mehrere Spalten nichts anderes sehen als Steuern, Steuern, Steuern.« 47
Trotz allem Murren aber war es in Adam Smiths Zeiten bereits klar, dass Regierungen, die auf freien Zugang setzten, besser fuhren als solche, die das nicht taten. Von Madrid bis Konstantinopel verteidigten die Herrscher weiter ihre eigenen Vorrechte und die von Adel und Klerus gegenüber denender Kaufleute. Sie schränkten ein, wer Handel treiben durfte, schufen Monopole und eigneten sich weiter die Güter ihrer Untertanen an. Die Folgen waren Hunger, Not und Elend, da die Volkswirtschaften langsamer wuchsen als die Bevölkerung. Die Herrscher in Nordwesteuropa hingegen zeigten sich sehr viel bereitwilliger, andere Wege zu gehen. Sie bissen in den sauren Apfel und machten ihre Geschäfte mit den Neureichen. Die Folge war, dass die Wirtschaften schneller wuchsen als die jeweilige Bevölkerung.
Dessen ungeachtet, so Smith, war die Neuordnung der Beziehungen innerhalb eines Staates erst der Anfang. Herrscher mussten auch ihre Beziehungen zu anderen Staaten verändern. Die europäischen Staaten, schreibt er, hätten viel dazu beigetragen, den Wohlstand der Welt zu fördern, indem sie Asien, Afrika und Amerika mit Gewalt in einen beträchtlich erweiterten Markt einbezogen hatten. Damit dieser Markt aber noch besser funktionierte, sollte Europa nun »freiwillig allen Einfluss auf seine Kolonien aufgeben und es ihnen überlassen, ihre eigenen Regierungen zu wählen, Gesetze zu erlassen und über Frieden und Krieg nach eigenem Ermessen zu entscheiden«. 48 Die Reiche der Assyrer, der Römer oder irgendeiner anderen Zivilisation der Antike hätte von allen guten Geistern verlassen sein müssen, um ihre Provinzen aufzugeben und darauf zu vertrauen, dass der Handel sie reich machen würde, jetzt aber, erklärte Smith, würde es für jeden Herrscher unterm Strich einen Gewinn bedeuten, seine Kolonien schalten und walten zu lassen, wie sie es für richtig hielten.
Das wäre, gab Smith zu, eine Maßnahme, »die einmalig wäre und wohl von keinem Land der Welt jemals akzeptiert werden würde« 49 , doch 1776 – in eben dem Jahr, in dem The Wealth of Nations erschien –, nahmen Großbritanniens amerikanische Kolonisten ihrem Mutterland die Entscheidung ab, ob es Smiths Rat folgen solle oder nicht, und rebellierten. Konservative Politiker sorgten sich, dass der Verlust der Kolonien Großbritanniens Atlantikhandel ruinieren werde, doch die Ereignisse zeigten bald, dass sie unrecht hatten. Bis 1789 erreichte der britisch-amerikanische Handel wieder sein
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