Krieg – Wozu er gut ist
Vorkriegsvolumen und wuchs immer weiter.
Die Suche nach einer Erklärung wurde in vieler Hinsicht zu der brennenden Frage des ausgehenden 18. Jahrhunderts und hat seither nie ganz aufgehört. In gewisser Weise deckt sie sich mit der Frage, die ich in diesem Buch zu beantworten versuche. Ich habe behauptet, dass in den 10 000 Jahren seit Beginn des Ackerbaus produktive Kriege der Motor waren, der die Welt sicherer und wohlhabender gemacht hat, weil durch sie Leviathaneentstanden, die größere Gesellschaften schufen, diese intern befriedeten und für eine florierende Wirtschaft sorgten. Die Amerikanische Revolution aber scheint genau das Gegenteil zu demonstrieren. Dadurch, dass sie dem Britischen Weltreich ein großes Stück seines Territoriums entriss, muss sie als zutiefst kontraproduktive Art Krieg gelten (zumindest in dem Sinne, in dem ich diesen Begriff verwende), aber statt zu all den unheilvollen Konsequenzen zu führen, die wir in Kapitel 3 kennengelernt haben, machte sie Großbritannien – und die Vereinigten Staaten – reicher denn je.
Vielleicht lehrt uns die Amerikanische Revolution ja, dass die gesamte Argumentation dieses Buches danebenliegt. Vielleicht besteht das wahre Geheimnis für eine sicherere, wohlhabendere Welt ja darin, jeden ungehindert seinen eigenen Interessen nachgehen zu lassen, ohne dass ein Staat ihm Regeln vorgibt und diese mit Gewalt durchsetzt.
Mit Sicherheit war dies die Schlussfolgerung, zu der viele Intellektuelle ausgangs des 18. Jahrhunderts gelangten. Das waren die Jahre, in denen Rousseau Hobbes angriff und behauptete, die Menschen hätten in einem friedlichen und glücklichen Naturzustand gelebt, bis Staaten sie zu drangsalieren begannen. Es waren auch die Jahre, in denen Thomas Paine in seinem Kassenschlager Common Sense ( Gesunder Menschenverstand ) den Amerikanern versicherte, dass »die Regierung … selbst in ihrem besten Zustand nichts als ein notwendiges Übel« sei. Einige der Revolutionäre – an vorderster Front eine Gruppe um Thomas Jefferson, die auch als Republikaner bezeichnet wurde – versuchten die neue Theorie in die Praxis umzusetzen. Andere – vor allen anderen die Föderalisten um Alexander Hamilton – wehrten sich gegen die Vorstellung, dass Regierungen nutzlos seien und nur eine von ihren »Fesseln« befreite Gesellschaft blühen und gedeihen werde. In Wirklichkeit, so der Föderalist (und spätere Präsident) John Adams zu Jefferson, seien Menschen Sklaven ihrer gewalttätigen Leidenschaften, und nur Gewalt, Macht und Stärke könnten sie im Zaum halten.
Smith selbst vertrat eine Linie, die zwischen diesen beiden Extremen verlief. Man schaue sich nur das erste von England 1651 erlassene Navigationsgesetz – die Navigation Acts – an, sagte er. Dieses Gesetz, erlassen vor allem, um holländische Rivalen vom englischen Kolonialhandel auszuschließen, war in rein wirtschaftlicher Hinsicht eine Katastrophe. Die Ausgrenzung der Holländer ließ Englands Märkte schrumpfen und machte jedermann ärmer. In strategischer Hinsicht aber war es von entscheidender Bedeutung, denn die zunehmende Stärke der Niederländer bedrohte Englands Überleben.
Die Navigationsgesetze machten das grundlegende Problem der atlantischen Wirtschaft sehr schön deutlich – ein Problem, das diese mit jeder anderen Open Access Order oder zugangsoffenen Gesellschaftsordnung teilt. Märkte funktionieren nur dann gut, wenn der Staat sich weitgehend heraushält, aber Märkte funktionieren überhaupt nicht, wenn der Staat sich ganz und gar heraushält, wenn er darauf verzichtet, die Welt mit Gewalt zu befrieden und das Tier in Schach zu halten. Gewalt und Kommerz sind zwei Seiten ein und derselben Medaille, denn die unsichtbare Hand braucht eine unsichtbare Faust, die ihr den Weg ebnet, bevor sie ihren Zauber bewirken kann.
In den folgenden fünfzig Jahren zeigte die Amerikanische Revolution nach und nach, wie sich dieser Zwickmühle entkommen ließ – nicht dadurch, dass man die Welt von Leviathanen befreite, sondern dadurch, dass man einen Leviathan schuf, der die ganze Welt umspannte. Dieser Leviathan wäre eine neue Art von stationärem Banditen, einer, der über dem Getümmel thront, als unparteiischer Schiedsrichter über eine internationale zugangsoffene Gesellschaftsordnung wacht und kleinere Leviathane davon abhält, die unsichtbare Hand an ihrem Wirken zu hindern. Was die neuen wirtschaftsfreundlichen Herrscher im Nordwesten Europas innerhalb ihrer Länder
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