Krieg – Wozu er gut ist
immer bereit, Arbeiter zu bezahlen, damit sie mehr dieser Waren herstellten.
Männer gaben sich nicht mehr wie selbstverständlich damit zufrieden, in die Fußstapfen ihrer Väter zu treten und in der Landwirtschaft zu arbeiten, wenn die Abwanderung in die Städte bessere Löhne versprach. Manche ließen ihre Familien spinnen und weben, um Geld zu verdienen; andere verließen die Felder und arbeiteten in Manufakturen. Auch wenn es im Detail Unterschiede gab, verkauften Europäer im 17. und 18. Jahrhundert zunehmend ihre Arbeitskraft an Arbeitgeber und arbeiteten länger. Je mehr sie arbeiteten, umso mehr Zucker, Tee und Zeitungen konnten sie kaufen – und das bedeutete, dass mehr Sklaven über den Atlantik verschleppt, mehr Flächen für Plantagen gerodet und mehr Fabriken und Manufakturen eröffnet wurden. Der Umsatz stieg, die Produktion größeren Stils ermöglichte Kosteneinsparungen, die Preise sanken, was weiteren Westeuropäern den Zugang zu dieser Warenwelt eröffnete.
Hauptquelle des Reichtums waren nicht Plünderungen, Eroberungen oder Monopole, sondern die Arbeitsteilung, schloss der Philosoph Adam Smith 1776 in seinem Werk Der Wohlstand der Nationen : »Wie das Verhandeln, Tauschen und Kaufen …, so gibt die Neigung zum Tausch letztlich auch den Anstoß zur Arbeitsteilung.« Aus Gewinnstreben spezialisieren Menschen sich in ihrer Tätigkeit, schaffen Märkte für Güter und Dienstleistungen, senken dadurch die Kosten, verbessern die Qualität und bewirken,dass es allen besser geht. »Nicht vom Wohlwollen des Metzgers, Brauers und Bäckers erwarten wir das, was wir zum Essen brauchen, sondern davon, dass sie ihre eigenen Interessen wahrnehmen«, stellte Smith fest. 45
Er erklärte, wenn ein Mensch »die Erwerbstätigkeit so fördert, dass ihr Ertrag den höchsten Wert erzielen kann, strebt er lediglich nach eigenem Gewinn. Und er wird in diesem wie auch in vielen anderen Fällen von einer unsichtbaren Hand geleitet, um einen Zweck zu fördern, den zu erfüllen er in keiner Weise beabsichtigt hat …, gerade dadurch, dass er das eigene Interesse verfolgt, fördert er häufig das der Gesellschaft nachhaltiger, als wenn er wirklich beabsichtigt, es zu tun.« 46 Die Folgerung lag auf der Hand: Je weniger der Staat sich den Menschen in den Weg stellte und je freier er sie handeln, tauschen und kaufen ließ, umso besser konnte die unsichtbare Hand wirken und umso besser würde es allen gehen.
Wirklich? Fünftausend Jahre lang hatte es zu den großen Vorzügen des Herrschens gehört, erfolgreiche Untertanen ausplündern zu dürfen. Selbst die eifrigsten stationären Banditen gaben zuweilen dieser Versuchung nach, aber nun verlangte die Smithsche Sicht von den Mächtigen, sich auf eine Wette einzulassen. Sie sollten sich mit einem kleineren Stück des Kuchens begnügen, um am Ende mehr zu bekommen, weil der Kuchen wachsen würde. In den Teilen Westeuropas, wo Könige die größte Macht besaßen – besonders in Spanien –, klang das nicht sonderlich plausibel. Aber in Ländern, in denen der König schwächer war – in England und vor allem in den Niederlanden, die nicht einmal einen König hatten – , war der Staat eher bereit, sich auf dieses Glücksspiel einzulassen und neureichen Händlern und Kaufleuten immer mehr Freiheit einzuräumen, um die neue atlantische Wirtschaft zu nutzen. (Frankreich, die Heimat der ursprünglichen nouveaux riches , bewegte sich in der Mitte.)
Zum Glück für das heikle Zartgefühl der Wohlgeborenen konnten sie sich meist darauf verlassen, dass zu Wohlstand gekommene Kaufleute sich Landgüter zulegten und gepuderte Perücken trugen, sobald sich ihnen die Chance dazu bot. Doch Profit aus der Atlantikökonomie zu schlagen hieß nicht nur, Geschäfte mit diesen Namenlosen zu machen, sondern auch, ihnen Zugang zum inneren Zirkel zu gewähren. Wirtschaftliche Freiheit führte unausweichlich auch zu Forderungen nach politischer Freiheit, und Könige, die diesen Trend aufzuhalten versuchten, liefen Gefahr, den Thron (wie Jakob II. 1688 in England) oder sogar den Kopf (wie Karl I. 1649 in England und Ludwig XVI. 1793 in Frankreich) zu verlieren.
Aber auch für die wohlhabenden Kaufleute lief nicht alles rosig. Die herkömmliche Art und Weise, ein Königreich zu führen, hatte bedeutet, das Recht, Steuern einzutreiben, in Streitfällen zu richten und Marktmonopole einzuräumen, lokalen Würdenträgern zu übertragen, die sich in der Regel die eigenen Taschen füllten, aber auch die
Weitere Kostenlose Bücher