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Krieg – Wozu er gut ist

Krieg – Wozu er gut ist

Titel: Krieg – Wozu er gut ist Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ian Morris
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zuwege gebracht hatten, würde ein neuer wirtschaftsfreundlicher Leviathan zwischen den einzelnen Ländern zuwege bringen. Er würde als unparteiischer Globocop agieren, der Sicherheit für alle garantiert und es dem wirtschaftlichen Eigeninteresse seiner Bürger überlässt, Menschen auf immer größeren Märkten zusammenzuführen. Als Gegenleistung dafür, dass er auf Monopole und Plündereien verzichtete, würde der Weltpolizist zu dem mit den meisten Privilegien ausgestatteten Akteur eines ungeheuer expandierenden Marktes, und wenn alles gut ging, würde er am Ende reicher dastehen, als es die herkömmlichen Leviathane je gewesen waren.
    Wieder einmal erreichte ein Krieg seinen Kulminationspunkt. Seit der Wiedererfindung des produktiven Krieges im 15. Jahrhundert hatten die Europäer mehr von diesem Planeten erobert und größere Märkte erschaffen als alle anderen vor ihnen, die Strategien aber, die ihnen so viele Erfolge eingebracht hatten, führten sie nun in die Katastrophe. Um in der neuen durch produktive Kriege erschaffenen Welt des globalen Handels erfolgreich zu bestehen, hätten die Regierungen die zugangsoffene Gesellschaftsordnung übernehmen müssen. Doch wie von Smith vorhergesehen, war keine Nation der Welt bereit, solche Maßnahmen aus ganzem Herzen zu bejahen,und sogar nach seiner Niederlage in Amerika hörte Großbritannien nicht auf, seine Machtansprüche in Indien aggressiv durchzusetzen. Die Regierung in London begann jedoch irgendwann einzusehen, dass sie gar nicht Nordamerika beherrschen musste, um den Profit einzustreichen, den ihr eine größere Gesellschaft bescheren würde, es reichte völlig, wenn sie die Meere beherrschte (es ist kein Zufall, dass Rule, Britannia , der Soundtrack dieses Kapitels, erstmals 1740 gesungen wurde 50 ). Großbritannien näherte sich ganz allmählich der Position als Weltpolizist, setzte seine unsichtbare Faust ein, um die Wasserwege zu sichern, und ebnete so der unsichtbaren Hand den Weg, damit sie ihre Arbeit verrichten konnte.
    Produktive Kriege und Leviathane waren nicht obsolet geworden, sondern durchliefen lediglich eine Evolution hin zu neuen und machtvolleren Formen. Unglückseligerweise sollte es noch eine weitere Generation des Mordens dauern, bis die Welt diese Lektion gelernt hatte.
Krieg und ewiger Friede
    »1793 zeigte sich [eine solche Kriegsmacht], von der man keine Vorstellung gehabt hatte. Der Krieg war urplötzlich eine Sache des Volkes geworden.« 51
    Das, dachte Clausewitz, der die Ereignisse miterlebt hatte, war das eigentliche Erbe des ausgehenden 18. Jahrhunderts. Nicht umsonst begannen die Gründungsväter der Vereinigten Staaten ihren Verfassungsentwurf 1787 mit den Worten »Wir, das Volk« 52 : Es waren bewaffnete Männer des Volkes, keine Berufssoldaten und keine Söldner, die sich gegen die Briten erhoben hatten. In Ermangelung der finanziellen Mittel und der Organisation ihrer Feinde hatten die Revolutionäre ihre Armee statt mit Geld mit Patriotismus motiviert und die starren, schwerfälligen Profis in ihre Schranken verwiesen. Die Open Access Order hatte nicht nur die Märkte und die Politik, sondern auch den Krieg für die Energie der Massen geöffnet. Eine neue Revolution in militärischen Angelegenheiten nahm ihren Lauf.
    Das wurde zu Beginn nicht von allzu vielen Leuten verstanden, obwohl es eigentlich hätte klar sein sollen. Viele europäische Beobachter blieben dabei, dass an der Amerikanischen Revolution nichts allzu Besonderes gewesen sei. Die Amerikaner seien alles andere als ein vereintes Volk und über den Aufstand zutiefst entzweit gewesen. Ohne die Interventionen der französischen und spanischen Flotten sowie des deutschen Barons FriedrichWilhelm von Steuben, der die Kontinentalarmee neu organisiert und professionalisiert hatte, hätten sie womöglich eine Niederlage einstecken müssen.
    Manche Europäer erkannten zwar, dass die Amerikaner eine neue Art von Krieg – einen »Volkskrieg« – geführt hatten, aber nur wenige hielten das für sonderlich bemerkenswert. Nach dem Ende der Revolution waren doch die Vereinigten Staaten als Militärmacht einigermaßen schwachbrüstig. Noch 1791 vernichteten die zahlenmäßig überlegenen Miami-Indianer am Oberlauf des Wabash River eine komplette amerikanische Armee. Sie töteten 600 weiße Soldaten und stopften ihnen Erde in den Mund, um auf diese Weise ihren Landhunger zu stillen. Wenn es das war, was ein Volkskrieg brachte, konnte Europa getrost darauf

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