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Krieg – Wozu er gut ist

Krieg – Wozu er gut ist

Titel: Krieg – Wozu er gut ist Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ian Morris
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Krankenhausaufenthalten wegen seines Herzens. Der winzigste Rechenfehler oder Zufall konnte das Ende bedeuten. In der Theorie – bei endlosen Spielwiederholungen auf großen Schiefertafeln – machte Abschreckung allen Sinn, in der Realität aber hing das Schicksal der Welt an Augenblicksentscheidungen von Männern wie Stanislaw Petrow mit dem Finger am Abzug. Der Abschreckung mangelte es an Stabilität, dem unerlässlichen Kernstück jeder evolutionär stabilen Strategie.
    Die gesamte Geschichte hindurch hat die einzig stabile Lösung im Spiel des Todes stets darin bestanden, dieses zu gewinnen. Das heißt, in all den zugespitzten Situationen wie in Petrows Schicksalssekunden ging es um die Frage, ob einer der beiden Hemisphärenpolizisten in der Lage sein würde, den anderen zu vernichten. Das Wettrüsten des Kalten Krieges, all die Stellvertreterkriege, Spione und Ausfälle waren nichts als anderes als Versuche,einen Aufhänger zur Veränderung des Spielverlaufs zu finden und eine allmähliche oder plötzliche Verschiebung im Kräftegleichgewicht herbeizuführen, die die andere Seite in die Knie zwingen würde. Anfang der 1980er Jahre begannen viele Sowjetstrategen zu befürchten, dass die amerikanischen Präzisionswaffen dies leisten würden (der Ausdruck »Revolution in militärischen Angelegenheiten« war genau genommen von Sowjetanalysten geprägt worden, um diese neue Technologie zu beschreiben). Sie hatten recht, wenn auch anders als gedacht.
    Die amerikanische Automatisierung des Krieges verschob das militärische Gleichgewicht in Europa deutlich genug, um Moskau dazu zu veranlassen, nach Angriffsmöglichkeiten ohne Nuklearwaffen zu suchen, aber rückblickend erkennen wir: Das Allerwichtigste an Star Wars, den Assault-Breaker-Raketen und all den anderen neumodischen Waffensystemen ist gewesen, dass es richtig, richtig kompliziert und teuer geworden wäre, ihnen effizient zu begegnen. Die sowjetische Wirtschaft konnte Panzer, Kalaschnikows, Atomsprengköpfe und Interkontinentalraketen in Mengen ausspucken, hatte aber keine Möglichkeit, die Computer und die intelligente Munition zu bauen – oder zu bezahlen –, die die Schlachtfelder der 1990er Jahre zu beherrschen drohten.
    Dieser sprunghafte Anstieg der Kriegskosten kam für Moskau zum denkbar ungünstigsten Zeitpunkt. Ein Großteil der Erfolge der Sowjetunion in den 1970er Jahren war durch Ölexporte finanziert worden, für die die Kriege und Unruhen im Nahen Osten die Preise in schwindelerregende Höhen getrieben hatten. Doch zwischen 1980 und 1986 fiel der Preis für das Barrel Öl um fast achtzig Prozent, was das verfügbare Einkommen Moskaus empfindlich kappte. Nicht kleiner wurden die Sorgen des Kremls dadurch, dass die Wirtschaftsleistung amerikanischer Arbeitnehmer zwischen 1975 und 1985 um 27 Prozent und die der Westeuropäer um 23 Prozent zulegte, die Sowjetbürger es hingegen nur auf neun Prozent brachten; ihre osteuropäischen Mitbürger schnitten einen Prozentpunkt besser ab. Kommunistische Agrarbetriebe arbeiteten so ineffizient, dass die Produktivität so gut wie kaum anstieg. Infolgedessen hatten sich die Getreideimporte (insbesondere aus den Vereinigten Staaten und Kanada) mehr als verdoppelt, bezahlt in erster Linie durch Riesenkredite von Banken der amerikanischen Allianz. Eine Schuldenkrise folgte auf die andere.
    »Gewalt«, so Clausewitz, »ist also das Mittel, dem Feinde unseren Willen aufzudringen.« 13 Deshalb, so schließt er, sollten wir nicht zögern zu töten,wenn dies der beste Weg zu sein scheint, die Widerstandskraft des Feindes zu brechen; aber wenn Töten nicht der beste Weg ist, sollten wir unsere Zeit nicht damit verschwenden. Das Geniale an der großen Containment-Strategie, die die Vereinigten Staaten Ende der 1940er Jahre zu verfolgen begannen, war, dass sie dies berücksichtigte. Die meiste Zeit über wandten sich die Praktiker der amerikanischen Politik gegen die Taubenposition, der zufolge zwei Hemisphärenpolizisten auf immer und ewig koexistieren könnten, und die meiste Zeit über lehnten sie auch die Falkenposition ab, der zufolge es zum Sieg kommen müsse, wenn die Vereinigten Staaten ihre Stellvertreterkriege nur entschlossen genug führten. Vielmehr verfolgten sie einen Kurs, der genau dazwischen lag und Amerikas Stärken ausspielte.
    Die Vereinigten Staaten hatten Großbritannien als Großmacht am äußeren Rand der westlichen Hemisphäre beerbt und damit dessen Rolle als des liberalen Leviathans

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