Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Krieg – Wozu er gut ist

Krieg – Wozu er gut ist

Titel: Krieg – Wozu er gut ist Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ian Morris
Vom Netzwerk:
Ferguson 19

    Um dieses Muster zu erkennen, muss man freilich weit genug zurücktreten vom Detail und einen Blick auf das werfen, was da über einen größeren Zeitraum hinweg tatsächlich passiert ist, anstatt sich anzusehen, was laut Theoretikern und selbsternannten Größen gewesen sei (oder hätte sein sollen). Alles in allem verfolgen Regierungen das, was sie für ihre besonderen Interessen halten, und keine Handlungsvorlagen, die ihnen von Philosophen unterbreitet werden. Als Hitler und Stalin 1939 einen Pakt unterzeichneten, der den Bund von Faschismus und Kommunismus proklamierte, waren Europas linke Kreise in hellem Aufruhr. Damit gehörten alle »Ismen« der Vergangenheit an, meinte ein Witzbold im britischen Außenministerium. Die Wahrheit aber lautet, dass »Ismen« seit jeher von vorneherein zum Scheitern verurteilt waren. 20 Die unerbittlich paradoxe Logik der Strategie hat alles andere immer überboten.
    Entsprechend richte ich in diesem Buch den Blick lieber auf gewöhnliche Menschen – Arbeiter, Soldaten, Manager – anstatt auf Denker oder Ideologen. Wir werden sehen, dass all die großen Ideen, für die Männer und Frauen ihr Leben gegeben oder ihrerseits Unschuldige niedergemetzelt haben, sich gerade mal als Schaum auf den Kronen von Wellen erweisen, hinter denen tiefere – biologische wie geografische – Kräfte stehen. Nur vor dem Hintergrund dieser Einsicht können wir sehen, was uns der Krieg gebracht hat – und inwiefern sich das ändern wird.
Der Angriffsplan
    Die ersten fünf Kapitel dieses Buches erzählen die Geschichte des Krieges, angefangen von der gewalttätigen, ärmlichen Welt prähistorischer Jäger- und Sammlerhorden bis hin zu Stanislaw Petrows Zeit. Es ist keine wohlgeordnete Geschichte, was Geschichte nie ist, wenn man ins Detail geht, aber sie enthüllt uns dennoch einen massiven Trend. Unter gewissen Umständen – auf die ich in den Kapiteln 1 und 2 eingehen werde – kann Krieg eine produktive Kraft sein in dem Sinne, dass er für die Entstehung von Leviathanen sorgt, die den Menschen sicherer und reicher machen. Unter anderen Umständen – die ich im Kapitel 3 unter die Lupe nehme – kann er ausgesprochen kontraproduktiv werden, insofern er größere, reichere und sicherere Gesellschaften wieder in kleinere, ärmere und gewalttätigere Gesellschaften zerschlägt. Aber es gibt darüber hinaus auch noch Umstände – siehe dazu die Kapitel 4 und 5 –, in denen er produktiver denn je wirken kann, wenn er nämlich nicht nur Leviathane hervorbringt, sondern die Welt wie Kolosse beschreitende Globocops, die das Leben auf eine Art und Weise ändern, hinter der man in früheren Zeiten noch Hexerei hätte vermutenwollen – die aber auch über genügend Zerstörungspotenzial verfügen, um das Leben auf der Erde völlig auszulöschen.
    In Kapitel 6 breche ich den Bericht ab, um – durch ihre Einbettung in einen breiteren evolutionären Kontext – Sinn in meine Geschichte zu bringen, bevor ich mich dann in Kapitel 7 noch einmal umwende, um zu fragen, was uns das alles darüber zu sagen vermag, welche Richtung die Welt im 21. Jahrhundert einschlagen wird. Die Antwort, so mein Argument, ist so beängstigend wie erhebend – beängstigend deshalb, weil die nächsten vierzig Jahre die gefährlichsten unserer Geschichte werden; erhebend, weil wir Grund zur Annahme haben, dass wir diese Jahre nicht nur überleben, sondern über sie triumphieren. Die lange Geschichte des Krieges erreicht dann einen ebenso außergewöhnlichen wie unvermuteten Höhepunkt.

Kapitel 2
Ein Käfig für das Tier
    Die produktive Art des Krieges
Nicht die westliche Art der Kriegführung
    Eines der Wörter, die wir den Griechen verdanken, ist »Chaos«. In der griechischen Mythologie war Chaos das ordnungslose Nichts, das herrschte, bevor die Götter den Kosmos schufen.
    Für griechische Krieger bezeichnete der Begriff eine Szene, wie sie den persischen General Mardonius eines Augustmorgens 479 v.   Chr. erwartete, als die Sonne über der abgelegenen Stadt Plataiai aufzugehen begann. Eine Woche lang hatte Mardonius eine massive Linie griechischer Infanterie auf den Hügeln rund um sein Lager gesehen. In der vergangenen Nacht hatte sie mit dem Abzug begonnen, diesen aber ganz gewaltig verbockt. Einige Krieger hatten den Rückzug verweigert, da sie ihn für feige hielten; andere waren dem Befehl gefolgt, aber in die falsche Richtung marschiert; und einige hatten sich schlicht in Luft aufgelöst.
    Es war dies

Weitere Kostenlose Bücher