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Krieg – Wozu er gut ist

Krieg – Wozu er gut ist

Titel: Krieg – Wozu er gut ist Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ian Morris
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schützen, die von außen auf uns eindringen, verfügt unser Körper über ein Immunsystem mit mehreren Verteidigungslinien. Ein Superorganismus muss sich vielleicht Ähnliches zulegen, vielleicht braucht er sogar Äquivalente für unsere Antikörper, die feindliche Eindringlinge eliminieren helfen. Schließlich sind Maschinen, wie die meisten von uns irgendwann einmal schmerzvoll erfahren haben, für Viren genauso anfällig wie wir Menschen.
    Den Spekulationen sind keine Grenzen gesetzt. Was wir jedoch sicher sagen können, ist, dass Brain-to-Brain-Interfacing und die Vernetzung des Menschen vermittels seiner Maschinen immer rascher voranschreiten. Die alten Regeln, nach denen wir das Spiel des Todes über 100   000 Jahre gespielt haben, erreichen ihren Kulminationspunkt, und wir steuern auf ein völlig neues Endspiel zu. Wenn wir es nicht gut spielen, sind dem Entsetzen, das wir uns selbst zufügen können, keinerlei Grenzen gesetzt. Wenn wir aber klug und umsichtig vorgehen, könnte bis Mitte dieses Jahrhunderts der uralte Traum von einer Welt ohne Krieg Wirklichkeit werden.
Das Endspiel des Todes
    »Es ist alles im Kriege sehr einfach«; schreibt Clausewitz, »aber das Einfachste ist schwierig.« 56 Genauso wird es mit der Endphase im Todesspiel sein. Es gut zu spielen wird einfach sein – gleichzeitig aber teuflisch schwierig.
    Lassen Sie mich anfangen mit dem, was das Endspiel einfach macht. Sobald wir wissen, wo »dort« ist und wozu Krieg nützt, liegt es – theoretisch zumindest – einigermaßen auf der Hand, wie wir von hier nach dort kommen: Ich habe den Standpunkt vertreten, dass »dort« die Computerisierung von allem und jedem ist und dass Kriege dazu gut waren, Leviathane und schließlich Globocops hervorzubringen, die den Frieden dadurch erhalten, dass sie die Kosten dafür, ihn zu brechen, auf ein unerhörtes Niveau treiben. Aus diesen Grundannahmen folgt allem Anschein nach, dass die Welt einen Weltpolizisten braucht, der bereit ist, Gewalt anzuwenden, um den Frieden so lange aufrechtzuerhalten, bis die digitale Vernetztheit von allem undjedem ihn überflüssig macht. Die einzige Alternative zu einem Globocop ist das erneute Abspulen des Drehbuchs der Zeit der 1870er bis 1910er Jahre, dieses Mal allerdings mit Nuklearwaffen. Und da zu Beginn des 21. Jahrhunderts der einzige in Frage kommende Kandidat für diese Aufgabe die Vereinigten Staaten von Amerika sind, sind sie, um es mit Abraham Lincoln zu sagen, »die letzte große Hoffnung für die Welt«. 57 Wenn die Vereinigten Staaten scheitern, scheitert die Welt.
    Da ich dies schreibe – Mitte 2013 – sind die politischen Kreise Amerikas in zwei Lager gespalten. Das eine drängt den Weltpolizisten, sich »ins Zeug zu legen«, das andere »zurückzufahren«. Sich ins Zeug zu legen bedeute, festzuhalten an einer Gesamtstrategie für die »aktive Aufrechterhaltung der globalen Sicherheit und die Förderung jener liberalen Wirtschaftsordnung, die Amerika in den vergangenen sechs Jahrzehnten so außerordentlich gut gedient hat«. 58 Kritiker hingegen sind der Ansicht, es sei an der Zeit, »die hegemoniale Strategie der Vereinigten Staaten aufzugeben und durch eine Strategie der Zurückhaltung zu ersetzen …, auf die Durchsetzung globaler Reformen zu verzichten und sich auf den Schutz eng gefasster nationaler Sicherheitsinteressen zu beschränken …, die dazu beitragen würden, Wohlstand und Sicherheit des Landes auf lange Sicht zu erhalten«. 59
    Die Geschichte der vergangenen Jahrtausende lehrt uns, dass beide recht haben – oder zumindest jeweils zur Hälfte. Die Vereinigten Staaten müssen die Zügel zuerst anziehen, dann aber zurückfahren. Wir haben in Kapitel 4 gesehen, dass im 15. Jahrhundert, als die Europäer die Welt mit ihrem Fünfhundertjährigen Krieg überzogen, dessen Speerspitze in altmodischen Imperialisten bestand, die alle von ihnen Besiegten erbarmungslos ausnahmen und besteuerten. Der Erfolg des Fünfhundertjährigen Krieges aber bestand darin, Gesellschaften hervorgebracht zu haben, die so groß waren, dass sie den Imperialismus alter Schule über seinen Kulminationspunkt hinaus drängten. Im 18. Jahrhundert sorgte eine zugangsoffene Gesellschaftsordnung, die es fertigbrachte, die unsichtbare Hand mit der unsichtbaren Faust zusammenarbeiten zu lassen, für mehr Wohlstand und Macht als jede andere herkömmliche Art Reich bis dahin. Das Ergebnis war der Aufstieg des ersten Globocops, dessen Erfolg bei der weltweiten Einsetzung

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