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Krieg – Wozu er gut ist

Krieg – Wozu er gut ist

Titel: Krieg – Wozu er gut ist Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ian Morris
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und Aufrechterhaltung einer zugangsoffenen Gesellschaftsordnung ihm so reiche und mächtige Rivalen eintrug, dass das britische System sehr bald ebenfalls seinen Kulminationspunkt erreichte.
    Die weitere Folge davon waren, wie wir in Kapitel 5 gesehen haben, unheilvolle Stahlgewitter und der Aufstieg eines neuen und noch mächtigeren Weltpolizisten Amerika. Jetzt bewegt der Erfolg des neuen Globocops die Welt auf das zu, was ich als ultimative zugangsoffene Gesellschaftsordnung bezeichnen würde, ein System, in dem die unsichtbare Hand keine unsichtbare Faust mehr benötigt. Und das wird der Kulminationspunkt nicht nur für den Weltpolizisten Amerika, sondern für alle Weltpolizisten sein. Im Augenblick sind die Vereinigten Staaten noch unverzichtbar und müssen sich in die Riemen legen, aber wenn sie sich dem Kulminationspunkt ihrer Karriere als Globocop nähern, werden sie sich zurücknehmen müssen. Die Pax Americana wird einer Pax Technologica weichen (ein Begriff, den ich von den beiden Zukunftsforschern Ayesha und Parag Khanna übernommen habe 60 ), und ein Weltpolizist wird nicht mehr vonnöten sein.
    Alles ist demnach ganz einfach – bis wir anfangen, die Fragen zu stellen, die unseren Sicherheitsexperten als Erstes in den Sinn kämen. An diesem Punkt werden wir erkennen, wie schwierig auch die einfachsten Dinge sein können. Wir können uns die Verteidigungszwickmühlen der Menschheit nicht einfach wegwünschen, indem wir sie wissenschaftlich angehen. Die Vernetzung vermittels unserer Computer selbst ist unter all den tektonischen Verschiebungen, Game Changers und unvorhersehbaren Ereignissen, die in diesem Kapitel ihren Auftritt hatten, die destabilisierendste Entwicklung von allen, weil sie so ungleich verlaufen wird.
    Da ich diese Worte schreibe, befinde ich mich nur knapp 25 Kilometer (Vogelfluglinie) von San José in Kaliforniens Silicon Valley entfernt. Mein neuester Nachbar ist ein Ingenieur, der an der Entwicklung von Google Glass arbeitet, diesem Minicomputer auf einem Brillengestell, der Bilder aus dem Internet ins Sichtfeld einblendet. Wenn ich zu meinem Arbeitsplatz fahre, überhole ich recht häufig autonome Autos im Selbstfahrbetrieb (die sich eher an die Geschwindigkeitsbegrenzungen zu halten pflegen). Lebte ich aber im Kongo oder in Nigeria, die im jüngsten Entwicklungsbericht der Vereinten Nationen die beiden letzten Plätze belegen, würde ich höchstwahrscheinlich weder solchen Nachbarn noch solchen Fahrzeugen je begegnen. San José ist eine der reichsten und sichersten Städte der Welt, Kinshasa eine der ärmsten und gefährlichsten. Und es überrascht kaum, dass Orte, die bereits reich und sicher sind, sich schneller auf die Digitalisierung des Lebens zubewegen, als solche, die das nicht sind.
    Zugangsoffene Gesellschaftsordnungen funktionieren am besten, wenn möglichst viele daran beteiligt sind, denn je größer der Markt und die Freiheit, desto besser das System. Aus diesem Grunde sind die Technologen sicher, dass die Computerisierung auf mittlere bis lange Sicht Barrieren niederreißen und die Welt gerechter machen wird. Die gesamte Geschichte hindurch haben jedoch – egal ob es sich um Ackerbau, Leviathane oder die Nutzung von fossilen Brennstoffen handelt – Pioniere immer Vorteile gegenüber denen gehabt, die ihnen nachfolgten. Die Aufnahme in eine zugangsoffene Gesellschaftsordnung findet nicht immer zu denselben Bedingungen statt, auch ist nicht jeder über eine Aufnahme gleichermaßen begeistert. Im 18. Jahrhundert schleppten die Europäer, die Amerika kolonialisierten, Menschen afrikanischer Abstammung vor allem als Sklaven in die atlantische Ordnung, im 19. Jahrhundert zwangen industrialisierte Europäer und Amerikaner Afrikaner und Asiaten oft genug mit Waffengewalt zur Teilhabe an größeren Märkten.
    Es ist schwer vorstellbar, dass diese Art von Tyrannei im 21. Jahrhundert eine Renaissance erlebt (reiche Nordlandbewohner scannen mit vorgehaltener Waffe die Gehirne ihrer armen Cousins aus dem Süden?), aber auf kurze Sicht ist anzunehmen, dass die digitale Entwicklung die Kluft zwischen der »Ersten Welt« und allen anderen Welten vergrößern wird. In den nächsten ein bis zwei Jahrzehnten wird es dadurch womöglich mehr statt weniger Konflikte geben, werden noch mehr Ökonomien aus den Tritt geraten und wird sich das Gefühl der Ungerechtigkeit, das bereits jetzt islamistische Gewalt nährt, weiter vergrößern. Womöglich drohen mehr Terroranschläge, neue

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