Krieg – Wozu er gut ist
Burenkriege und Staatsbankrotte.
Auch werden sich die spaltenden Auswirkungen radikal neuer Techniken wie der computergestützten Kopplung von Gehirnen nicht auf ein Nord-Süd-Gefälle beschränken. Das relativ bescheidene Maß an Digitalisierung, das die reichsten Länder der Welt seit den 1980er Jahren erlebt haben, hat bereits jetzt die Ungleichheit innerhalb dieser Gesellschaften massiv steigen lassen. Auf mittlere bis lange Sicht sollte die Vernetzung der Menschheit solche Unterschiede hinfällig machen, aber wenn – was gegenwärtig möglich scheint – sich eine kleine Wohlstands- und Talentelite der neuesten Technologien bemächtigt, kann es passieren, dass die neuen Technokraten in Bälde so haushoch über allen anderen thronen, dass das heutige eine Prozent an Topverdienern dagegen zu nichts verblasst.
Es gibt eine Geschichte (von allerdings umstrittenem Wahrheitsgehalt),der zufolge Scott Fitzgerald einst laut darüber nachgedacht haben soll, dass die Reichen anders seien als andere Menschen, worauf der zufällig anwesende Ernest Hemingway mit der unsterblichen Replik gekontert haben soll: »Ja, sie haben mehr Geld.« Jetzt widerfährt Fitzgerald Genugtuung. Für die nächsten paar Jahrzehnte wird eine neue Art von Reichen wirklich und wahrhaftig anders werden als der Rest von uns.
Nur wie anders im Einzelnen, das wird genauso heftig diskutiert wie alles andere im Prognosegeschäft auch, aber meiner Meinung nach ist die Darstellung des Nanotechnologen und Autors Ramez Naam (der auch den National Intelligence Council berät) nicht zu schlagen. In seiner phantastischen Sciencefiction-Erzählung Nexus (übrigens dem einzigen Werk seiner Art, das mit einem Anhang über Gentechnologie versehen ist) stellt Naam sich vor, dass die neueste Ausgabe des Oxford English Dictionary im Jahr 2036 Einträge enthalten wird, die uns bislang unvertraut sind. 61 Eines davon, so schreibt er, wird das Wort »transhuman« sein, definiert als »menschliches Wesen, dessen Fähigkeiten künstlich optimiert wurden, so dass sie die normalen menschlichen Bestleistungen in einer oder mehreren wichtigen Dimensionen übertreffen«, ein anderes lautet »posthuman«, was nichts weniger heißen soll als »ein Wesen, das mit technischen Mittel so radikal umgestaltet worden ist, dass es über das Transhumane hinausgeht und in keiner Hinsicht mehr als menschlich gelten kann«. Ein transhumaner Mensch ist laut Naams Oxford English Dictionary demnach »ein weiterer Schritt in der Evolution des Menschen«, wohingegen ein posthumanes Wesen »im Rahmen der Evolution des Menschen der nächste größere Sprung« ist.
Naams Erzählung spielt im Jahr 2040. Zu diesem Zeitpunkt, so der Autor, wird es in reichen Ländern nicht nur eine Menge transhumaner, sondern auch ein paar posthumane Wesen geben. Er rechnet mit wachsenden Spannungen durch eine idealistische hochgebildete Elitejugend, die für jedermann die Chance einfordert, sich ins Posthumane optimieren lassen zu können – »Turn on, tune in, drop out« –, während der konservative amerikanische Globocop versucht, die Technologie unter Kontrolle zu halten, und aufstrebende Rivalen – China vor allem – posthumane Wesen zu ihrem strategischen Vorteil zu nutzen suchen werden. Im Folgeband Crux mischen sich Terroristen ins Geschehen ein und bedienen sich vernetzter Gehirne, um politische Morde zu begehen. Die Welt bewegt sich auf einen Krieg zu, und es wird jede Menge Blut – von Menschen aller Arten – vergossen.
N exus und Crux sind nur Erzählungen, aber sie vermitteln ein sehr eindrückliches Bild von dem ganzen Durcheinander der Vernetzung mit und über Maschinen und den Alternativen, die vor uns liegen. Treibt es der Weltpolizist zu arg – indem er vielleicht zu energisch Entwicklungen zu kontrollieren versucht oder sich auch nach Überschreiten des Kulminationspunktes noch an seiner Rolle festklammert –, wird er es mit wachsenden Widerständen, Spannungen und wirtschaftlichen Zusammenbrüchen zu tun bekommen, die ihm möglicherweise genau die militärischen Konfrontationen eintragen werden, die er zu vermeiden sucht. Das wäre eine todsichere Strategie, das Endspiel des Todes zu verlieren.
Einer der Gründe dafür, dass ich in den vorangegangenen Kapiteln so viel Zeit damit verbracht habe, mich über die Theorie zur westlichen Art der Kriegführung auszulassen, ist, dass sie mir ein falsches Gefühl von Sicherheit heraufzubeschwören scheint. Dank des militärischen Erbes, das
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