Krieg – Wozu er gut ist
könnte.
Die Menschen riefen nach Antworten, und die Jungen zu beiden Seiten des Eisernen Vorhangs wandten sich von den alternden, kompromittierten Politikern ab und lauteren Stimmen zu. Als Sprachrohr einer neuen, auf die der Babyboomer folgenden Generation griff Bruce Springsteen den größten Protestsong der Vietnamära – Edwin Starrs Motown-Klassiker War! – auf und landete mit einer explosiven Coverversion in den Top Ten:
War!
Huh, good God.
What is it good for?
Absolutely nothing.
Say it, say it, say it …
Oooh, War! I despise
Because it means destruction
Of innocent lives.
War means tears
To thousands of mothers’ eyes
When their sons go to fight
And lose their lives …
War!
It ain’t nothing but a heartbreaker.
War!
Friend only to the undertaker … 3
Frieden für unsere Zeit *2 4
In diesem Buch möchte ich widersprechen. Wenigstens bis zu einem gewissen Punkt.
Der Krieg, so werde ich unterstellen, war nie ein Freund des Bestatters. Krieg ist Massenmord, aber trotzdem, und das ist vielleicht das größte Paradoxon der Geschichte, ist er eigentlich des Bestatters ärgster Feind. Ganz im Gegensatz zur Aussage des Songs war Krieg sehr wohl zu was gut: Er hat die Menschheit – auf lange Sicht – sicherer und reicher gemacht. Krieg ist die Hölle; nur dass die Alternativen – wieder auf lange Sicht betrachtet – schlimmer gewesen wären.
Da man diese Behauptung kaum wird unwidersprochen hinnehmen können, lassen Sie mich erklären.
Die These, die ich hier aufstellen möchte, umfasst vier Punkte. Dem ersten zufolge haben Kriege zu zahlenmäßig größeren Gesellschaften höherer Ordnung geführt und diese zu einem verminderten Risiko, dass eines ihrer Mitglieder eines gewaltsamen Todes stirbt.
Diese Beobachtung stützt sich auf eine der großen Erkenntnisse von Archäologie und Anthropologie der letzten hundert Jahre, laut der die typische Gemeinschaft der Steinzeit winzig war. Hauptsächlich der Herausforderungen bei der Nahrungssuche wegen lebten die Menschen in Horden von einigen wenigen Dutzend, in Dörfern von einigen wenigen Hundert oder (wirklich sehr selten) in Städten von einigen Tausend. Diese Gemeinschaften bedurften keiner großen inneren Organisation und begegneten Fremden grundsätzlich wenn schon nicht mit Feindseligkeit, so doch mit Argwohn.
Im Allgemeinen regelten die Menschen ihre Differenzen friedlich, aber falls sich jemand für eine gewalttätige Lösung entschied, unterlag er weniger Zwängen als der Bürger eines modernen Staats. Wenn getötet wurde, dann selten im großen Stil, sondern eher im Verlauf einer Racheaktion oder unablässiger Raubzüge, obzwar es durchaus hin und wieder vorkam, dass eine ganze Horde oder ein Dorf massakriert oder durch Gewalt so schwer angeschlagen wurde, dass Krankheit und Hunger der Gemeinschaft denRest gaben. Aufgrund der geringen Größe der Populationen freilich forderte auch diese Gewalt im kleinen Stil durch ihre Beständigkeit einen erschreckenden Zoll. Schätzungen zufolge kamen in Steinzeitgesellschaften zwischen zehn und zwanzig Prozent aller Menschen durch die Hand ihrer Mitmenschen um.
Das 20. Jahrhundert steht dazu im scharfen Kontrast. Es erlebte zwei Weltkriege, eine Reihe von Völkermorden sowie zahlreiche staatlich inszenierte Hungerkatastrophen; insgesamt kam die schwindelerregende Zahl von hundert bis 200 Millionen Menschen um. Durch die Atombomben auf Hiroshima und Nagasaki kamen mehr als 150 000 Menschen ums Leben – und damit wahrscheinlich mehr, als es um 50 000 v. Chr. auf der ganzen Welt gab. 1945 jedoch lebten 2,5 Milliarden Menschen auf der Erde, und im Verlauf des 20. Jahrhunderts wurden, grob geschätzt, zehn Milliarden Leben gelebt; das bedeutet, dass die hundert bis 200 Millionen kriegsbedingten Toten nur ein bzw. zwei Prozent der Bevölkerung des Planeten ausmachten. Damit war für einen Menschen aus dem industrialisierten 20. Jahrhundert die Wahrscheinlichkeit, durch einen gewaltsamen Tod (oder die Folgen von Gewalt) ums Leben zu kommen, zehnmal geringer als für einen aus der Steinzeit.
Diese Statistik mag überraschen, aber die Erklärung dafür überrascht noch weit mehr. Was die Welt um so vieles sicherer gemacht hat, war nichts anderes als der Krieg. Das kam dadurch, wie ich in den Kapiteln 1 bis 5 zu zeigen versuche, dass vor etwa 10 000 Jahren, erst in einigen Teilen der Welt, dann nach und nach auf dem ganzen Planeten, die Sieger von Kriegen die Besiegten größeren
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