Krieg – Wozu er gut ist
Gesellschaften einzuverleiben begannen. Diese größeren Gesellschaften wiederum konnten nur funktionieren, wenn ihre Herrscher stärkere Staaten entwickelten, und mit das Erste, wofür diese Staaten sorgen mussten, wollten sie an der Macht bleiben, war die Unterdrückung der Gewalt innerhalb der Gesellschaft.
Kaum einer der Männer (und aus Gründen, auf die ich in Kapitel 6 zurückkommen werde, waren es fast durch die Bank Männer), die diesen Regierungen vorstanden, hat, wenn überhaupt, eine Friedenspolitik aus der Güte seines Herzens verfolgt. Dass sie so hart gegen das Töten vorgingen, lag einfach daran, dass man mit artigen Untertanen weniger Scherereien hatte als mit mordlüsternen. Unbeabsichtigte Nebenwirkung davon war der Rückgang gewaltsamer Todesfälle zwischen der Steinzeit und dem 20. Jahrhundert um neunzig Prozent.
Schön war dieser Prozess nicht. Von den Römern in Britannien bis hin zu den Briten in Indien konnte die Befriedung nicht weniger brutal ausfallen als die Barbarei, die sie ausrottete. Ebenso wenig wie sie völlig glatt verlief: Kurzzeitig schoss hier und da die Zahl gewaltsamer Tötungen zurück auf Steinzeitniveau. Zwischen 1914 und 1918 zum Beispiel ging nahezu einer von sechs Serben an Gewalt, Krankheit oder Hunger zugrunde. Und natürlich waren nicht alle Regierungen tüchtig, wenn es um die Befriedung ging. So chaotisch Demokratien auch sein mögen, sie verschlingen selten ihre Kinder; totalitäre Systeme erledigen, was zu erledigen ist, neigen aber dabei zum Blutvergießen, und das nicht zu knapp. Und dennoch, bei allen Spielarten, Vorbehalten und Ausnahmen sorgte auf lange Sicht – auf 10 000 Jahre – der Krieg für Staaten und Staaten für Frieden.
Meine zweite Behauptung ist, dass Krieg zwar die denkbar schlimmste Methode zur Schaffung größerer, friedfertigerer Gesellschaften ist, aber andererseits so ziemlich die einzige, auf die der Mensch gekommen ist. Hätte sich ein Römisches Reich schaffen lassen, ohne dabei Millionen von Galliern und Griechen zu töten, hätte man die Vereinigten Staaten aufbauen können, ohne Millionen amerikanischer Ureinwohner zu töten – hätten sich in diesen wie in zahllosen anderen Fällen die Konflikte durch Verhandlungen lösen lassen anstatt durch Gewalt, dann wäre die Menschheit in den Genuss der Vorteile größerer Gesellschaften gekommen, ohne einen so horrenden Preis dafür zu bezahlen. Aber so kam es nun einmal nicht. Es ist ein deprimierender Gedanke, aber die Beweislage scheint auch in diesem Fall klar. Menschen geben ihre Freiheit selten auf, auch nicht ihr Recht, einander zu töten oder zu berauben, es sei denn, man zwingt sie dazu; und praktisch das Einzige, was stark genug ist, um das zu bewerkstelligen, war bislang die Niederlage im Krieg oder die unmittelbare Angst davor.
Falls ich damit recht habe, dass Staatsgebilde uns sicherer gemacht haben und der Krieg bislang so ziemlich unsere einzige Methode zur Bildung solcher Gebilde ist, bleibt uns kein anderer Schluss als der, dass der Krieg denn doch zu etwas gut gewesen ist. Meine dritte Schlussfolgerung jedoch geht noch weiter. So wie sie den Menschen ein sichereres Leben beschert haben, so haben die vom Krieg geschaffenen größeren Gesellschaften uns auch – und auch das wieder auf lange Sicht – reicher gemacht. Frieden schuf die Voraussetzungen für wirtschaftliches Wachstum und steigende Lebensstandards, so chaotisch und holprig der Prozess auch gewesen sein mag. Die Sieger von Kriegen plündern, vergewaltigen, verkaufen nicht seltenTausende von Überlebenden in die Sklaverei oder rauben ihnen das Land; die Verlierer mögen auf Generationen hinaus verarmt bleiben. Das ist eine hässliche, ja schreckliche Geschichte. Und dennoch, im Lauf der Zeit – nach Jahrzehnten oder vielleicht erst nach Jahrhunderten – steht in der so geschaffenen größeren Gesellschaft jeder , die Nachkommen der Sieger wie die der Besiegten, besser da. Das Langzeitmuster ist auch hier unverkennbar. Durch die Schaffung größerer Gesellschaften, stärkerer Staaten und größerer Sicherheit hat der Krieg die Welt bereichert.
Nehmen wir diese drei Behauptungen zusammen, bleibt uns wohl nur ein möglicher Schluss: Der Krieg hat die Menschheit sicherer und reicher gemacht. Der Krieg hat größere Gesellschaften geschaffen, die von stärkeren Staaten regiert wurden, die Frieden schufen und damit die Voraussetzungen für Prosperität. Vor 10 000 Jahren gab es auf der Erde nur etwa sechs
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