Krieg – Wozu er gut ist
aus. Archäologen finden solche Schwerter normalerweise in Horten und Gräbern zusammen mit Häufchen kleiner Speerspitzen (die von Wurf-, nicht von Stoßspeeren stammen müssen) und zuweilen auch mit Brustpanzern und Schilden. Diese Art von Ausrüstung war wohl kaum vonnöten, um in frühmorgendlichen Überfällen schlafende Dörfler zu meucheln; sie zeugt mit Sicherheit von grimmigen Schlachten. Kleine Gruppen von Gepanzerten pflegten Wurfspeere aus einer Entfernung von fünfzig Schritt oder darunter zu schleudern, um ihre Gegner zu verwunden oder ihre Schilde zu perforieren, was sie nutzlos machte; wenn man danach auf Armeslänge zum Kampf überging, verrichteten die glänzenden Bronzeschwerter ihr tödliches Werk.
Europäische Kämpfer verfügten damit über mörderische neue Waffen, aber die erfahrenen Soldaten aus der Gegend des Fruchtbaren Halbmonds schienen es nicht eilig gehabt zu haben, vom unzivilisierten Norden zu lernen. Wenn Tausende von Wagenlenkern mit ihren Pfeilen die Sonne verfinstern konnten, so müssen sie sich gefragt haben, was brauchen wir dann Pöbel mit Wurfspeeren und Schwertern, mit denen sich hauen und stechen ließ?
Die Antwort darauf bekamen sie um 1200 v. Chr., als Schwertkämpfer in den östlichen Mittelmeerraum vorzudringen begannen. Einige kamen alleine, als Desperados, andere in kleinen Räuberbanden; noch andere verdingten sich als Söldner in den Armeen der Pharaonen; wieder andere schlossen sich den Massenmigrationen an, bei denen ganze Stämme mit Schiff oder Wagen unterwegs waren. Klimatische Veränderungen könnten dabei eine Rolle gespielt haben, als zurückgehende Niederschläge das Leben in den Balkanländern, Italien und Libyen schwieriger machten. Was auch immer die Ursachen gewesen sein mochten, die Folgen davon waren schlicht spektakulär.
Es dürfte den Berufsheeren anfangs nicht leicht gefallen sein, dieses Gesindel ernst zu nehmen, und bis zu einem gewissen Punkt hatten die arroganten Wagenlenker ganz sicher recht. Als der ägyptische Pharao Merenptah 1208 v. Chr. eine dieser umherziehenden Heerscharen nach ihrem Weg durch die Libysche Wüste abfing, vernichtete er sie bis auf den letzten Mann; 9274 Krieger fanden den Tod (die Zählung erfolgte nach den Penissen, die man den Leichen abschnitt). Die Ägypter erbeuteten dabei 9111Schwerter, aber nur zwölf Streitwagen – ein ernstzunehmender Hinweis darauf, dass die Invasoren sich neuer Taktiken bedienten. Nur um sicherzugehen, stellte Ägypten ein eigenes Korps von Schwertkämpfern auf (womöglich aus den Reihen der Invasoren angeheuerte Söldner) und trug mit ihnen 1176 v. Chr. einen gar noch dramatischeren Sieg davon. Warum sollte man sich also Gedanken machen?
Nun, weil die Invasoren, wie sich herausstellte, bald lernten, nicht nach den Regeln zu spielen. Soweit wir das beurteilen können, vermieden sie offene Feldschlachten, sodass eine ganze, sich über Jahrzehnte hinziehende Reihe asymmetrischer Kriege begann. Diffuse, formlose Bedrohungen tauchten auf wie aus dem Nichts und verschwanden ebenso plötzlich wieder. Liefen sich an einem Tag die Rosse vor den Streitwagen die Seele aus dem Leib, um die Eindringlinge in eine Schlacht zu treiben, sahen sie sich tags darauf selbst umstellt. Billige Wurfspeere brachten teure Pferde zu Fall; barbarische Schwertkämpfer eilten herbei, um ihre Lenker zu töten.
Ein einziger Fehler konnte zur Katastrophe führen. So brannten etwa Eindringlinge die Handelsstadt Ugarit nieder, während deren Armee auswärts den Hethitern gegen andere Invasoren zur Seite stand. Zwischen etwa 1220 und 1180 v. Chr. besiegten die Migranten, von Griechenland bis hinab nach Israel, einen König nach dem anderen, rieben deren Armeen auf und plünderten ihre Städte. Ägyptens Siege auf dem Schlachtfeld bewahrten den Staat vor diesem Schicksal, konnten aber die Infiltration durch Migranten nicht verhindern, die spätestens um 1100 v. Chr. effektiv das Nildelta übernommen hatten.
Im gesamten Fruchtbaren Halbmond brachen Bürokratien zusammen und begannen buchstäblich zu verfallen. Niemand bezahlte mehr Steuern – was sich zunächst gut anhören mag, aber da kein Geld in die Staatskasse kam, konnten die Staaten ihre Armeen nicht mehr bezahlen. Überfälle blieben ungeahndet. Armut begann sich auszubreiten, die Katastrophen schaukelten einander hoch, und schließlich rutschten die Bevölkerungszahlen in den Keller. Ein neues dunkles Zeitalter war angebrochen.
Der Weg nach
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