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Krieg – Wozu er gut ist

Krieg – Wozu er gut ist

Titel: Krieg – Wozu er gut ist Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ian Morris
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gewissen Perioden zwanzig Prozent der Steppengräber, die Waffen enthielten, für Frauen angelegt worden waren.
    Als in den Glücklichen Breiten Vorderasiens die Leviathane wieder zum Leben erwachten, hatten ihre Herrscher rasch verstanden, dass die Kavallerie nicht nur weit billiger war, sondern auch schneller und verlässlicher als Streitwagen. Die Assyrer begannen Nomaden zu rekrutieren, die für sie in den Krieg zogen, und spätestens um 850 v.   Chr. importierten sie Pferde für sich selbst. Um 400 v.   Chr. hielten es die expandierenden Staaten in China in etwa genauso, und um 100 v.   Chr. schlugen auch die indischen Könige – die der Himalaja und der Hindukusch vor den Steppen schützten – diesen Weg ein.
    Der andere Grund, aus dem die Streitwagen im 1. Jahrtausend v.   Chr. größtenteils wieder verschwanden, war gar noch wichtiger: Nach undnach wurde der wahre Vorteil eiserner Waffen klar. Eiserne Speerspitzen, Schwerter und Kettenpanzer waren so billig, dass sie in großen Stückzahlen zu haben waren. Kavallerie mochte billiger sein als Streitwagen, aber mit Eisen gepanzerte Infanterie war noch viel, viel billiger als ihre mit Bronze gerüsteten Vorfahren. Die Assyrer gingen voran und bauten in den 870er Jahren v.   Chr. (nach königlichen Zählungen) ein Heer von 50   000 Infanteristen auf und hatten 854 v.   Chr. über 100   000 Mann unter Waffen stehen. Die Assyrer-Könige des 1. Jahrtausends vor Chr. setzten auf dem Schlachtfeld regelmäßig mehr Kavallerie ein, als die Pharaonen im 2. Jahrtausend Streitwagen eingesetzt hatten, aber sie stellten so ungeheuer große Heere von Infanteristen auf, dass die Reiter des 1. Jahrtausends das Schlachtfeld unmöglich im selben Maß dominieren konnten wie die Streitwagen im 2. Jahrtausend.
    Der Mann, der das Geheimnis dieses erneuten Wettrüstens schließlich löste, war ein Usurpator, der sich 744 v.   Chr. als Tiglath-Pileser III. des assyrischen Throns bemächtigte. Von Rivalen bedrängt, hatte er keine andere Wahl, als in neuen Bahnen zu denken, und sah rasch ein, dass seine einzige Überlebenschance darin bestand, eine noch stärkere Zentralregierung aufzubauen als seine Vorgänger. Frühere Könige, denen es an Stärke gemangelt hatte, eine effiziente Bürokratie zu etablieren, Steuern zu erheben und ungebärdige Aristokraten ihrem Willen zu unterwerfen, hatten versucht, das Problem zu umgehen, indem sie sich auf Pakte mit ihren kriegerischen Aristokraten einließen. Wenn die lokalen Herren aus ihren Ressourcen Truppen für die Könige aufboten, so die häufigste Regelung, dann stellte der König sie zusammen, führte sie zum Sieg und überließ ihnen einen großzügigen Anteil an den geplünderten Schätzen.
    Es war dies eine billige Art und Weise, zu vielen Soldaten zu kommen, nur konnte Tiglath-Pileser III. sich nicht auf die Unterstützung der störrischen assyrischen Edelleute verlassen. Und so kam er auf eine geniale Idee, den Adel einfach außen vor zu lassen und ein Bündnis direkt mit der Bauernschaft einzugehen. Die wenigen aus dieser Zeit erhaltenen Quellen vermögen nicht so recht zu erklären, was genau er machte, jedenfalls übertrug Tiglath-Pileser den Bauern das Besitzrecht an dem von ihnen bewirtschafteten Land, womit sie nicht mehr vom Adel abhängig waren. Im Gegenzug dafür bezahlten die Bauern dem König Steuern und dienten in seinen Armeen. Mit den neuen Steuergeldern stellte Tiglath-Pileser Verwalter ein und zahlte seinen Untertanen Löhne; das ermöglichte es ihm nicht nur, für strengereDisziplin zu sorgen, er konnte so auch die Beute aus seinen Kriegen für sich behalten, ohne mit seinen übermächtigen Aristokraten zu teilen.
    Auf Leviathan wirkte das wie eine Wunderkur. Zwar wurden während der Kriege des 8. und 7. Jahrhunderts v.   Chr. zahllose Menschen gepfählt (eine Spezialität der Assyrer), aber die boomenden Städte, in denen Assyriens prassende Verwaltung saß, waren nicht weniger berühmt für ihre Lustgärten und Bibliotheken als für die Barbarei. Wie ägyptische Adelige vor ihnen und später die Höflinge der Renaissance fand die assyrische High Society es wohl profitabler, den König durch ihre Kultiviertheit zu beeindrucken als sich auf den Straßen von Ninive zu duellieren.
    Wie in der Geschichte des Altertums nun mal üblich, haben wir keine Statistiken über Mordraten oder Duelle in der Aristokratie, aber die Indizien scheinen einmal mehr eine deutliche Sprache zu sprechen. Tiglath-Pileser hatte

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