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Krieg – Wozu er gut ist

Krieg – Wozu er gut ist

Titel: Krieg – Wozu er gut ist Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ian Morris
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Chang’an (und Pataliputra)
    Und das war erst der Anfang. Ohne Leviathans Schutz versiegte der Fernhandel; ohne Handel bekam kaum ein Schmied das Zinn für die Herstellung von Bronze. Nicht länger in der Lage, die wenigen Männer zu bewaffnen, die sich auftreiben ließen, geriet Leviathan erst richtig in Not. Die zentrale Organisation brach weiter zusammen.
    Um 1050 v.   Chr. jedoch begannen findige Metallarbeiter eine Lösung für die Bronzeknappheit zu finden, obwohl diese zunächst weitere Probleme für Leviathan mit sich brachte. Zypriotische Handwerker hatten seit Jahrhunderten Erfahrung in der Bearbeitung von Eisen gehabt, einem unattraktiven, aber reichlich vorhandenen Erz. Sie hatten sich nur nie damit abgeben wollen, da gute Bronze diesem hässlichen, spröden Metall fast in jeder Hinsicht überlegen war. Erst als die Handelsrouten zusammenbrachen und das Zinn ausging, wandten sie sich wieder dem Eisen zu und lernten, es mit Kohlenstoff zu verbinden. Bald waren sie in der Lage, strapazierfähige Waffen und Werkzeuge zu schmieden – nicht von der Qualität der besten Bronze, aber dafür viel billiger. Eisen war sogar so billig, dass es sich praktisch jeder leisten konnte. Eisenschwerter waren im Altertum das Gegenstück zur heutigen Kalaschnikow, der AK-47, die auch dem letzten jungen Kerl noch dieselbe Macht über Leben und Tod an die Hand gibt wie den Vertretern von Recht und Ordnung.
    Das Absinken in die Anarchie beschleunigte sich zwischen 1050 und 1000 v.   Chr. – aus dieser Zeit datieren im Fruchtbaren Halbmond praktisch weder neue Monumente noch schriftliche Aufzeichnungen –, verlangsamte sich dann aber allmählich. Um 950 hatte Salomo in Israel ein großes Königreich errichtet. Um 930 teilte sich dieses in zwei Teile, zu dieser Zeit waren die Assyrer im Begriff (auf dem Gebiet, das heute vom Nordirak eingenommen wird), ihr eigenes Reich zu gründen. 918 unternahm der ägyptische Pharao zum allerersten Mal nach fast drei Jahrhunderten einen großen Kriegszug und zog brandschatzend und plündernd fast bis zum Libanon. Einmal mehr wirbelten die Räder von Streitwagen riesige Staubwolken zum Himmel über den Schlachtfeldern der syrischen Ebenen auf.
    Das frühe 1. Jahrtausend v.   Chr. war jedoch nicht einfach eine bloße Wiederholung dessen, was sich Mitte des 2. Jahrtausends ereignet hatte. Streitwagen gewannen ihre einst dominante Rolle auf dem Schlachtfeld nie wieder zurück. Das hatte zwei Gründe. Der erste war der, dass die Pferdezüchter draußen in den Steppen während dieser Zeit nicht gerade Däumchen gedreht hatten. Über Tausende von Jahren hinweg hatten die Hirten in den Steppen Pferdegespanne dazu gebracht, schwere Wagen von einer Wasserstelle zur anderen zu ziehen. Mobilität stand bei den verstreuten Völkernin den Grasländern ganz oben an; rasch zwischen Weidegründen wechseln zu können, wenn das Gras wuchs und verdorrte, konnte über Leben und Tod entscheiden. Eine Folge davon war selbstredend, dass dazu große, starke Pferde gebraucht wurden, und um 900 v.   Chr. sorgten Züchter am westlichen Ende der Steppen (in der heutigen Ukraine) für Pferde so groß und kräftig, dass Menschen auf ihren Rücken klettern und sie den ganzen Tag reiten konnten. Angesichts dieser neuen Möglichkeit erfanden angehende Reiter Gebissstange und Zügel, um die Tiere besser kontrollieren zu können. Steigbügel waren noch lange nicht in Sicht, aber auf komplizierten hölzernen Hornsätteln, die Tiere fest zwischen den Knien, lernten die Reiter ihre Pfeile in vollem Galopp abzuschießen und sogar mit dem Speer zuzustoßen, ohne sich selbst aus dem Sattel zu heben.
    Eine neue Revolution im Militärwesen begann sich abzuzeichnen. Wie wir in Kapitel 3 sehen werden, sollten weitere tausend Jahre vergehen, bevor ihre tatsächliche Bedeutung in den vom Ackerbau bestimmten Reichen zum Tragen kam, aber in den Steppen trat sie auf der Stelle hervor. Reitpferde verkürzten die Reisezeit zwischen fruchtbaren Weiden von Wochen auf Tage. Sobald die Männer, Frauen und Kinder einer Gemeinschaft alle reiten und mit dem Bogen umgehen konnten, konnte sie nichts mehr davon abhalten, so schnell über die Ebenen zu traben, wie ihre Herden nur gehen wollten – und zu kämpfen, wann immer es nötig war. Geschichten des griechischen Altertums über die Amazonen, Kriegerinnen aus Zentralasien, reflektieren wahrscheinlich die Frauen, die bei diesen Trecks mitgekämpft haben. Archäologen haben festgestellt, dass zu

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