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Krieg – Wozu er gut ist

Krieg – Wozu er gut ist

Titel: Krieg – Wozu er gut ist Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ian Morris
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war als jedes Metall aus dem Fruchtbaren Halbmond. Diese Eisenwaffen verbreiteten sich nur langsam und ersetzten die Bronze erst nach 250 v.   Chr., aber zu diesem Zeitpunkt gab es bereits starke Ähnlichkeiten zwischen den Kampfstilen an den beiden Enden Eurasiens.
    Wie schon im Fruchtbaren Halbmond und im Mittelmeerraum lief Leviathan der Roten Königin auch hier immer wieder davon, und kleinere Staaten, die sich eben noch bekriegt hatten, sahen sich in friedlichen größeren Gebilden zusammengefasst. Aus chinesischen Texten erfahren wir, dass es 771 v.   Chr. im Tal des Gelben Flusses (Huang He) 148 Einzelstaaten gab. Diese führten ständig Krieg gegeneinander, und 450 v.   Chr. war von ihnen nur noch ein knappes Zehntel übrig, von denen jedoch nur vier wirklich zählten. Während sie miteinander rangen, entstanden im Süden und Westen von ihnen neue Staaten, aber im 3. Jahrhundert v.   Chr. verschlang einer der westlichen Staaten – Qin – alle anderen.
    Im Westen Eurasiens erreichte die Gewalt ihren Höhepunkt, als in den 260er Jahren v.   Chr. Rom und Karthago gegeneinander Krieg führten, und der Osten Eurasiens folgte in etwa demselben Zeitplan. Der Feldzug von Changping von 262–260 v.   Chr. war wahrscheinlich die singulär größte Operation des Altertums, bei der sich wenigstens eine halbe Million Mann aus Qin und Zhao im Grabenkrieg gegenübersahen. Tagsüber gruben die Armeen sich unter den feindlichen Linien hindurch; nachts sickerten Jagdkommandos durch die feindlichen Linien und stürmten Stützpunkte.
    Die Wende begann schließlich, als Spione der Qin den König von Zhao davon zu überzeugen vermochten, dass sein General zu alt und vorsichtig sei, um den Krieg richtig zu führen. Zhao schickte einen jüngeren, wilderen Mann auf seinen Platz. Dem Historiker Sima Qian – unserer wesentlichen Quelle – zufolge war der neue General eine derartige schlechte Wahl, dass sich sogar seine Eltern darüber beschwerten; und, ganz wie Qin gehofft hatte, blies er prompt zum Frontalangriff. Dreißigtausend Kavalleristen der Qin – eine astronomische Zahl – ließen die vorbereitete Falle zuschnappen und nahmen Zhaos Armee von beiden Flanken her in die Zange.
    Militärhistoriker bezeichnen die Schlacht von Changping gerne als »das chinesische Cannae«, wo Hannibal 216 v.   Chr. ein römisches Heer nicht weniger dramatisch in die Zange genommen hatte. Abgeschnitten, wie sie waren, gruben Zhaos Truppen sich an einem Hügel ein und warteten aufden Entsatz, der nicht kam. Nach 46 Tagen – der vorschnelle junge General war gefallen, Verpflegung und Wasser aufgebraucht – ergab man sich. Was sich als weiterer Fehler erwies: Qin ließ alle Mann massakrieren bis auf die 240 jüngsten, die er laufen ließ, damit sie die Nachricht von der Katastrophe verbreiteten.
    Qin war der Erfinder der Gefallenenzahlen. Während der nächsten vierzig Jahre blutete der Staat seine kriegführenden Rivalen aus, indem er systematisch so viele Gefangene tötete, dass jeder Widerstand undenkbar wurde. Wir werden die Gesamtzahl der Enthaupteten, Zerstückelten und lebend Begrabenen nie erfahren, aber es müssen mehrere Millionen gewesen sein.
    Als Qins König Ying Zheng 221 v.   Chr. die Kapitulation seines letzten Feindes entgegennahm, nannte er sich in Shihuangdi – den »Ersten Erhabenen Gottkaiser« – um. Heute vor allem durch die 8   000 Mann starke Terrakotta-Armee bekannt, die ihn in den Tod begleitete, schien der Erste Kaiser ganz versessen darauf gewesen zu sein, die Richtigkeit von Calgacus’ Aussage über Wüsteneien unter Beweis zu stellen. Anstatt seine Armee zu demobilisieren und seine Untertanen die Früchte des Friedens genießen zu lassen, zwangsrekrutierte er sie zu riesigen Projekten, sodass Hunderttausende beim Bau von Straßen, Kanälen und der Chinesischen Mauer umkamen.
    Wie Rom ersetzte Qin den Krieg durch das Gesetz, aber im Gegensatz zu Rom schaffte Qin es, das Gesetz schlimmer zu machen, als der Krieg es gewesen war. »Nach zehn Jahren«, so behauptet der Geschichtsschreiber Sima Qian, »waren die Menschen zufrieden, die Hügel waren frei von Briganten, Männer kämpften entschlossen im Krieg, und Dörfer und Städte waren wohl regiert« – nur dass die Kosten ruinös waren. Als der Erste Kaiser 210 v.   Chr. starb, sah sein Sohn und Nachfolger (der, wie vorherzusehen, den Namen Zweiter Kaiser trug) sich binnen eines Jahres gestürzt. Nach einem kurzen, aber brutalen Bürgerkrieg übernahm

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