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Krieg – Wozu er gut ist

Krieg – Wozu er gut ist

Titel: Krieg – Wozu er gut ist Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ian Morris
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Zehn-Dollar-Zelte der Terroristen abzuschießen. Wenn sie mit ungeheuren Massen schwerfälliger Infanterie berittene Banden durch die Wildnis jagten, sahen die Imperien des Altertums sich vor einem ähnlichen Problem.
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    Abbildung 3.4Sturm über der Steppe
    Ein Jahrtausend asymmetrischer Kriege, ca. 700 v.   Chr. – 300 n.   Chr.

    Es war dies keine Frage der westlichen beziehungsweise nichtwestlichen Art der Kriegführung, sondern hier traf die Kriegskunst der Agrarreiche auf die von Nomaden. Von Europa bis China standen die Herrscher wohlhabender Imperien bei der Konfrontation mit diesen Reitern der Steppen allesamt vor mehr oder weniger denselben Problemen, und spätestens zur Zeit Agricolas hatten die Imperien sämtliche möglichen Permutationen der asymmetrischen Kriegführung durchgespielt. Der offensichtliche Ansatz damals wie heute war der Präventivkrieg, und die Perserkönige schickten eine ganze Reihe von Armeen in die Steppen, um Jagd auf die Skythen zu machen. Aber die Nomaden zu verfolgen und in ihre Verstecke zu jagen, somussten die Perser erfahren, konnte durchaus fast ebenso fatal sein, wie gar nichts zu tun. Die Infanterie konnte die Reiterei der Nomaden einfach nicht zum Kampf nötigen, wenn denen nicht der Sinn danach stand. Manchmal zahlten sich Präventivkriege relativ rasch aus – beispielsweise 519 v.   Chr., als die Perser ein Bündnis der »spitzhütigen Skythen«, wie sie sie nannten, zerschlugen –, in vielen Fällen aber nicht. 530 v.   Chr. töteten Nomaden den Perserkönig Kyros II. und vernichteten seine Armee; 514 v.   Chr. entging König Darius I. demselben Schicksal nur, indem er sich eilig im Schutz der Dunkelheit über die Donau zurückzog.
    Assyrien und Persien waren die ersten Reiche, die Probleme mit den Steppen bekamen, aber spätestens im 3. Jahrhundert v.   Chr. kam auch China dazu. 213 v.   Chr. führte der Erste Qin-Kaiser einen Präventivschlag und annektierte ein großes Steppengebiet in dem Versuch, das Reitervolk der Xiongnu von seinen Grenzen zu verdrängen. Freude hatte er daran kaum: 200 v.   Chr. lockten die Xiongnu eine chinesische Armee in die Tiefen der Steppe und rieben sie dort völlig auf.
    134 v.   Chr. versuchte es Kaiser Wudi mit einem weiteren Präventivkrieg und entsandte während der nächsten fünfzehn Jahre ein halbes Dutzend Mal Armeen von mehreren hunderttausend Mann Stärke in die Steppen. Nur wenige von den Männern kamen zurück, und die Kosten fraßen die von seinen Vorgängern erwirtschafteten Budgetüberschüsse auf, was den Staat tief in Schulden stürzte. Und bei all den Kosten bekam Wudi – wie schon Darius – nie, was er wollte, nämlich eine Entscheidungsschlacht mit dem Reitervolk.
    Von Athen bis Chang’an brandmarkten Intellektuelle den Präventivkrieg als Katastrophe. In einer weiteren merkwürdigen Parallele mit unseren modernen Erfahrungen erwies es sich auf lange Sicht als erstaunlich schwer zu sagen, wer diese Kriege gewonnen hatte oder wann sie vorüber waren. Die Kosten an Blut und Schätzen waren schrecklich, aber die Skythen bedrohten die Perser nach 513 nicht noch einmal, und die Raubzüge der Xiongnu gingen bis 100 v.   Chr. erheblich zurück.
    Der Schluss, den die Kaiser schließlich aus alledem zogen, war der, dass die Hard Power teurer Expeditionen in die Steppen am besten wirkte, wenn sie mit »weicheren«, freilich trotzdem nicht billigen Methoden kombiniert wurden. Die beliebteste war die Eindämmung, was für gewöhnlich bedeutete, dass man Mauern baute, um die Nomaden am Eindringen zu hindern (oder dieses wenigstens zu kanalisieren). Der berühmteste Abschnitt derChinesischen Mauer geht zurück auf etwa 210 v.   Chr.; die bereits in diesem Kapitel erwähnte Mauer, die Hadrian ab etwa 120 n.   Chr. errichten ließ, war eine ferne Verwandte von ihr. Mauern vermochten die Nomaden nicht ganz und gar draußen zu halten, aber sie steuerten immerhin, an welcher Stelle die Reiter eindrangen.
    Die erfolgreichste (oder vielleicht nicht ganz so erfolglose) Strategie war die Bestechung. Bei den Nomadenüberfällen kamen eine Menge Menschen um, was sich negativ auf die Steuereinnahmen auswirkte; also warum die Nomaden nicht einfach gleich bezahlen, damit es erst gar nicht zu Überfällen kam? Solange diese Bestechung weniger verschlang als ein Präventivschlag, war sie für alle Beteiligten von Vorteil: Die Kaiser sparten Geld, die Bauern in den Grenzländern blieben am Leben, und die Nomaden

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