Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Krieg – Wozu er gut ist

Krieg – Wozu er gut ist

Titel: Krieg – Wozu er gut ist Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ian Morris
Vom Netzwerk:
Rücken«, klagte ein Beamter namens Gong Ye. 11
    Am westlichen Ende von Eurasien sollten ähnliche Tatsachen das Ende von Agricolas produktivem Krieg einleiten. Das Römische Reich war vor den Steppen lange durch eine Pufferzone germanischer Hirten und Bauern geschützt gewesen, die gar noch dicker war als die der Qiang an Chinas Westgrenze, aber auch hier verwandelten die Migrationen aus der Steppe das Schild in ein Schwert, dessen Spitze auf das Herz des Imperiums gerichtet war.
    Motor dieser Migration dürften die Sarmaten gewesen sein, Nomaden, die den Don entlang zuhause waren, aber im 1. Jahrhundert n.   Chr. westwärts zu wandern begannen. Diese Sarmaten waren ein wüster Haufen, der laut Herodot von den Amazonen abstammte; keine Sarmatin, so heißt es bei ihm, durfte eine Ehe eingehen, bevor sie nicht einen Mann in der Schlacht getötet hatte. Lassen wir das mal dahingestellt, aber auf jeden Fall erwies sich ihre unverwechselbare Kriegführung mit leichter und schwerer Kavallerie, bei der berittene Bogenschützen die feindlichen Linien aufbrachen, bevor die gepanzerte Reiterei mit Speeren angriff, als verheerend. Es war die Ankunft des Sarmaten-Stammes der Jazygen am Nordufer der Donau, die Domitian Anfang der 80er Jahre des 1. Jahrhunderts n.   Chr. Agricolas Truppen aus Britannien zurückrufen ließ, und die Ausbreitung anderer Stämme über Osteuropa stürzten jeden ins Chaos, dessen Weg sich mit dem ihren kreuzte.
    In den ersten beiden Jahrhunderten n.   Chr. führte das mildere Klima in Europa zu einem Bevölkerungszuwachs und dieser wiederum zu einem Caging-Prozess bei den germanischen Bauern. Folge davon war, dass jeder Stamm, der den Sarmaten aus dem Weg zu gehen versuchte, auf der Stelle in einen verzweifelten Krieg mit seinen Nachbarn geriet, die ihre Felder zu verteidigen suchten. Die Germanen der den Steppen am nächsten gelegenen Gebiete machten es ihren Peinigern nach und fingen an, vom Pferderücken aus zu kämpfen, und selbst die Germanen, die fernab von den Steppen zuhause waren, legten sich effektivere Waffen und Taktiken zu. Unter dem Druck des Krieges wurden Häuptlinge zu Königen, die für eine Zentralisierung der Macht sorgten, Steuern erhoben und richtige Armeen aufzustellen begannen.
    Etwa um 150 n.   Chr. verließ einer dieser germanischen Stämme, die Goten, seine Felder an der Ostsee und zog langsam nach Süden, in Richtung des Schwarzen Meeres. Dieser ungeheure Treck trieb andere Stämme vor sich her, bis schließlich in den 160er Jahren n.   Chr. ein Völkerbund, den die Römer als Markomannen (buchstäblich »Männer des Grenzlands«) bezeichneten, über die Donau zu drängen begann. Seit Jahrhunderten hatten Germanen die römische Grenze überschritten, für gewöhnlich in kleinen Banden von jungen Männern, die auf der Suche nach Arbeit oder Beutegut gekommen und dann wieder nach Hause gelaufen waren. Diesmal jedoch war das anders. Jetzt waren Tausende von Familien unterwegs – und sie hatten nicht vor, wieder zu gehen.
    Der Mann, der sich ihnen zu stellen hatte, war Mark Aurel (Abbildung 3.5), Roms Kaiser zwischen 161 und 180 n.   Chr. Womöglich war es dieser gelehrte, belesene und zutiefst humane Mann – der womöglich der stationäreBandit schlechthin war –, an den Edward Gibbon dachte, als er vom 2. Jahrhundert als dem glücklichsten Zeitalter der Menschheit sprach. Hätte er die Wahl gehabt, Mark Aurel hätte seine Tage damit verbracht, mit bärtigen griechischen Gelehrten die Feinheiten der stoischen Philosophie zu diskutieren. Statt dessen musste er mit seinen Truppen in den Wäldern jenseits der Donau kämpfen und arbeitete zwischen den Schlachten, anstatt zu schlafen, an seinen Selbstbetrachtungen , dem Klassiker der stoischen Philosophie. Wenn ein Kaiser der Antike das Etikett des »großen Mannes« verdient, dann ist das zweifelsohne Mark Aurel.
    [Bild vergrößern]
    Abbildung 3.5Krieger des Alltags
    Die bronzene Reiterstatue Mark Aurels (römischer Kaiser, 161–180 n.   Chr.), ein wahrhaft großer Mann.

    Wie Eisenhowers Nachfolger in den 1960er Jahren sah Mark Aurel sich um der Stützung von Dominosteinen willen in einen Krieg gezogen, den er nicht gewollt hatte und der auf eine Art und Weise geführt wurde, die er nicht hatte vorhersehen können. Harry Summers, ein amerikanischer Oberst, erzählt, wie er sich 1975, kurz nachdem sich Eisenhowers Vorhersage bewahrheitet hatte und der südvietnamesische Dominostein umgekippt war, mit einer Delegation

Weitere Kostenlose Bücher