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Krieg – Wozu er gut ist

Krieg – Wozu er gut ist

Titel: Krieg – Wozu er gut ist Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ian Morris
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zwischen 23 und 25 v.   Chr. kam die Expansion mehr oder weniger zum Stillstand.
    Spätestens im 1. Jahrhundert n.   Chr. hatten die Reiche Roms und der Han ähnlich große Gebiete erobert (jedes etwa fünf Millionen Quadratkilometer) und herrschten über ähnliche Bevölkerungszahlen (jedes zwischen fünfzig und sechzig Millionen). Auch die Probleme, vor denen sich ihre Kaiser sahen, ähnelten sich, und alle diese unumschränkten Herrscher kamen zum selben Schluss. Sie riefen ihre ehrgeizigen Generale zurück, befestigten ihre zunehmend starren Grenzen und stationierten Hunderttausende von Soldaten in Kastellen wie Vindolanda. Einige Garnisonen an der ariden Nordwestgrenze Chinas nehmen es mit Leichtigkeit mit Vindolanda auf; seit etwa 1990 haben Archäologen in Xuanquan, einer Poststelle des Han-Militärs, 23   000 unzugestellte Briefe ausgegraben, die zwischen 111 v.   Chr. und 107 n.   Chr. auf Bambusstreifen geschrieben wurden (viele davon Beschwerden darüber, dass die Post so unzuverlässig sei).
    [Bild vergrößern]
    Abbildung 3.3Die Reichsgrenzen in Asien
    Gebiete, von denen in diesem Kapitel die Rede ist, sowie die maximale Ausdehnung des Sassaniden-Reichs (um 550 n.   Chr.), des Kuschana-Reichs (um 150 n.   Chr.) und der Tang-Dynastie (um 700 n.   Chr.).

    Die Kaiser des 1. Jahrhunderts n.   Chr. sahen sehr wohl, dass der Krieg sich nicht mehr so auszahlte wie früher; was sie nicht sahen, war, dass der Erfolg des produktiven Kriegs das weitere Umfeld verändert hatte, in dem er wirkte. Der Fairness halber soll hier gesagt sein, dass sich meist schwersagen lässt, wann man aufhören soll. »Bedenkt man, aus wie viel Elementen die Gleichung der wirkenden Kräfte zusammengesetzt ist«, überlegte Clausewitz, »so begreift man, wie schwer es in manchen Fällen ist, zu bestimmen, wer von beiden Gegnern die Überlegenheit auf seiner Seite hat.« 6 Während der nächsten paar Jahrhunderte jedoch sollte allzu klar werden, auf wessen Seite die Überlegenheit war.
Reiche hoch zu Ross
    Spätestens im 1. Jahrhundert n.   Chr. hatte der produktive Krieg die Imperien wie die Steppen in seinem Bann. Die imperiale Expansion hatte den Nomaden entlang der ökologischen Grenze, wo arides Grasland in bewirtschaftetes Kulturland überging, neue Optionen an die Hand gegeben. Sie schnitten oft weit besser ab, wenn sie den Agenten der Imperien Pferde verkauften, als damit von Oase zu Oase zu hetzen, um sich dort mit anderen Pferdezüchtern um ein paar Schluck schlammiges Wasser zu keilen. Besser noch, so lernten sie: Wenn ihr Gegenüber den geforderten Preis nicht zahlte, konnten sie mit Gewalt in die Imperien eindringen und den befriedeten Bauern die benötigten Güter stehlen.
    Davon, dass ein Imperium Ärger mit Steppennomaden hatte, erfahren wir zum ersten Mal aus assyrischen Quellen von vor 700 v.   Chr. Assyrien hatte sich in den Kaukasus ausgebreitet, bis direkt an den Rand der Steppe (Abbildung 3.4). Als Reitervölker die Grenzgebiete zu terrorisieren begannen, verdingten die Assyrerkönige einfach andere Nomaden wie die Skythen und setzten sie gegen sie ein. Sie stellten jedoch bald fest, dass die Skythen aufgrund eben der Vorzüge, die sie zu attraktiven Handlangern machten – Mobilität und Wildheit –, aber auch nicht zu kontrollieren waren.
    Im 7. Jahrhundert begannen skythische Banden auf eigene Rechnung zu operieren, beraubten jeden, der des Weges kam, und kontrollierten effektiv ein Gebiet, das den nördlichen Irak umfasste, Syrien und den Osten der Türkei. »Ihre Aggressivität und Gewalttätigkeit stürzten das Leben ins Chaos«, schrieb der griechische Geschichtsschreiber Herodot, »da sie überall hinritten und alles fortschleppten.« 7 612 v.   Chr. halfen die Skythen im Auftrag assyrerfeindlicher Rebellen beim Sturz des Reichs, was die siegreichen Rebellen vor das Problem stellte, was sie nun mit den Skythen anfangen sollten. Laut Herodot lösten sie es schließlich in den 590er Jahren damit, dass sie die skythischen Führer betrunken machten und dann ermordeten.
    Je größer sie wurden, desto dringlicher wurde für Eurasiens Reiche ein ganz spezifisch modernes Problem: Wie führt man asymmetrische Kriege an den Grenzen Zentralasiens? Ende der 1990er Jahre, als Osama bin Laden seine ersten Massaker verübte, fanden die Vereinigten Staaten keine andere Möglichkeit, ihn in seinem afghanischen Bau zu »neutralisieren« 8 (wie man das gerne nennt), als millionenteure Marschflugkörper auf die

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