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Krieg – Wozu er gut ist

Krieg – Wozu er gut ist

Titel: Krieg – Wozu er gut ist Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ian Morris
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rundum unterworfen, die Stadt war auf 15   000 Einwohner angewachsen und durch Mauern und Türme geschützt, die so beeindruckend waren, dass die ersten Europäer, die ihre Ruinen sahen, nicht glauben konnten, dass Afrikaner sie gebaut haben sollten (Abbildung 3.11).
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    Abbildung 3.11Der afrikanische Leviathan
    Die Mauern von Groß-Simbabwe (Great Zimbabwe), wie sie 1906 ihre ersten seriösen Ausgräber sahen.

    Das Hawaii des 15. Jahrhunderts unterschied sich natürlich vom Japan und Afrika jener Zeit (von all den vielen Orten dazwischen gar nicht zu reden), und jedes hatte seine eigene unverwechselbare Kombination von Migration, Assimilation und unabhängigen Erfindungen. Aber wenn wir einen Schritt von den Details zurücktreten und uns das große Bild anschauen,sehen wir fast überall dasselbe Muster. Der Leviathan eroberte den Planeten. Wo immer uns die Beweislage den Blick auf Details erlaubt, sehen wir, dass der Krieg größere Regierungen geschaffen, die Sterbeziffern für gewaltsame Todesfälle gesenkt und für mehr Wohlstand gesorgt hat. Jahrtausende später erst zum Caging und zu produktiven Kriegen gezwungen, hinkte die übrige Welt um das Jahr 1400 n.   Chr. den Leviathanen in Eurasiens Zentrum weit hinterher, aber dank der Zyklen aus produktiven und nichtproduktiven Kriegen, die sich seit 200 n.   Chr. entlang der Steppenränder abspielten, verringerte sich der Abstand unaufhaltsam.
Entwicklungsgeschichtliche Experimente
    Ich habe mir mit Amerika den interessantesten Fall für den Schluss aufbewahrt (Abbildung 3.12). Im Gegensatz zu Japan, den Pazifikinseln und Afrika, die sich vor allem unter dem Einfluss der Auswanderung aus Eurasiens Glücklichen Breiten entwickelten, verlor Amerika nach seiner ursprünglichen Kolonialisierung über Sibirien vor etwa 15   000 Jahren größtenteils den Kontakt mit der Alten Welt. Einige wenige Draufgänger überwanden die Barrieren wie etwa die Wikinger, die um 1000 n.   Chr. Vinland besiedelten, und die Polynesier, die die amerikanische Westküste kurz danach erreichten; aber mit nur einer Ausnahme, auf die ich gleich näher eingehen werde,zeitigte keine dieser Besiedelungen eine große Wirkung. Infolgedessen können wir uns die Alte und die Neue Welt als zwei voneinander unabhängige entwicklungsgeschichtliche Experimente vorstellen. Der Vergleich ihrer Geschichte ist ein regelrechter Prüfstand für die Theorie, dass produktiver Krieg und Leviathan eher universelle menschliche Reaktionen auf Caging sind als das Erbe einer spezifisch westlichen (oder gar eurasischen) Art des Kriegs.
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    Abbildung 3.12Gebiete in den Amerikas, die in diesem Kapitel erwähnt werden.

    Als der spanische Konquistador Hernán Cortés 1519 in Mexiko auftauchte, waren etwa 6   000 Jahre vergangen, seit die Menschen Mesoamerikas den Ackerbau erfunden hatten. Wenn wir vom Zeitpunkt der Erfindung des Ackerbaus in Eurasiens Hilly Flanks um 7500 v.   Chr. 6   000 Jahre abziehen, kommen wir auf 1500 v.   Chr. Damals schickten die ägyptischen Pharaonen Tausende von Streitwagen mit Bronze und Kompositbogen bewehrten Männern ins Feld. Die Azteken, die Tenochtitlán gegen Cortés verteidigten, hatten weder Streitwagen noch Bronze. Sie kamen zu Fuß, in gefütterter Baumwollkleidung und hölzernem Helm. Ihre Bogen waren primitiv, und ihre furchtbarste Waffe waren mit scharfen Splittern Vulkanglas (Obsidian) gespickte Eichenknüttel. Ganz eindeutig hatte das Militärwesen sich in der Neuen und Alten Welt nach unterschiedlichem Zeitplan entwickelt – was nicht gut aussieht für die Theorie, der produktive Krieg sei eine universelle Reaktion auf den Caging-Prozess.
    Einige dieser Unterschiede lassen sich jedoch recht einfach erklären. So hatten die Azteken keine Streitwagen erfunden, weil das unmöglich gewesen wäre: Wildpferde waren in den Amerikas um 12   000 v.   Chr. ausgestorben (verdächtigerweise kurz nach der Ankunft des Menschen), und ohne Zugtiere konnte es auch keine Streitwagen geben. Aber wie sieht es mit Bronzespeeren und -panzern aus? In der Alten Welt erschienen diese neben den ersten Städten und Staaten (um 3500 v.   Chr. in Mesopotamien, 3000 v.   Chr. in Ägypten, 2500 v.   Chr. im Indus-Tal und 1900 v.   Chr. in China); in der Neuen Welt kam es dazu nicht. Die ältesten amerikanischen Experimente mit Metallen lassen sich auf das Jahr 1000 v.   Chr. datieren, und zur Zeit der ersten Leviathane ein Millennium später vermochten

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