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Krieg – Wozu er gut ist

Krieg – Wozu er gut ist

Titel: Krieg – Wozu er gut ist Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ian Morris
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Streitkräften von vielleicht 10   000 Mann gewichen, und einige wenigstens trugen erste Helme aus baumwollgefüttertem Stoff, die durchaus wirkungsvoll gegen Steinäxte schützten.
    Bis 450 n.   Chr. waren die Armeen wahrscheinlich doppelt so groß geworden, und die Elite der Soldaten trug neben Helmen auch Panzer aus schichtgenähter Baumwolle. Im Vergleich zu Eurasiens Revolutionen im Militärwesen im 1. Jahrtausend v.   Chr. waren die amerikanischen Verbesserungen alles andere als beeindruckend, was jedoch nichts daran änderte, dass Teotihuacán den gleichen Weg ging wie die Leviathane der Alten Welt. Und wie die eurasischen Reiche fiel schließlich auch Teotihuacán; sein Stadtkern wurde um 750 n.   Chr. vermutlich von Invasoren aus dem Westen Mexikos geplündert und niedergebrannt. In einer weiteren Parallele zur östlichen Hemisphäre brach auch in Mesoamerika die militärische Organisation zusammen. Wandmalereien aus der Zeit nach Teotihuacán zeigen überhaupt keine Rüstungen, und die Ausbreitung von Hügelfestungen lässt auf einen Zusammenbruch von Gesetz und Ordnung schließen.
    Im 10. Jahrhundert wurde Mesoamerikas Krieg abermals produktiv. Der Stamm der Tolteken schuf ein großes Königreich, das er von Tollán (oder auch Tula, gelegen gute sechzig Kilometer nordwestlich von Mexiko-Stadt) aus regierte. Toltekische Krieger trugen aufwändigere Baumwollpanzer als die von Teotihuacán und führten eine neue Waffe ein, die die Archäologen »Krummkeule« tauften; sie war aus Eiche und mit Splittern aus Obsidian besetzt. Das Toltekenreich kam wahrscheinlich nie an die Größe des Reichs von Teotihuacán heran, und mit Sicherheit bestand es nicht lange. Im 12. Jahrhundert eroberten es Migranten aus dem Norden, die Tollán 1179 niederbrannten. (Einige dieser Invasoren, die Chichimeken, mochten um diese Zeit Pfeil und Bogen nach Mexiko gebracht haben.) Mesoamerika fiel wieder zurück in den ständigen Krieg zwischen kleinen Stadtstaaten, bis im 15. Jahrhundert mit den Azteken eine weitere Gruppe aus dem Norden kam und wieder einen produktiven Krieg zu führen begann.
    Wir wissen über die Azteken mehr als über jede frühere amerikanische Kultur. Ihr Erfolg baute nicht weniger auf Diplomatie und kluger Heirat als auf den Krieg, aber wenn sie kämpften, dann machten sie das besser als die Völker aus Teotihuacán oder Tollán. Aztekische Armeen marschierten in mehreren Divisionen, jede um die 8000 Mann stark, die – wie Napoleons Heeresabteilungen – getrennt vorrücken und zuschlagen konnten, um sich dann rasch zu massieren. Das Nachschubwesen wurde gar noch besser, und der besiegte Feind hatte für Truppenverpflegung aufzukommen. Ein Offizierskorps aus Berufssoldaten nahm Gestalt an, und selbst der gemeine Soldat enthielt eine Grundausbildung.
    Schlachten begannen mit dem Einsatz von Schleudern und Bogenschützen von den Flügeln her, bevor die Stoßtruppen, durch dicke Baumwollpanzer, große Schilde und federgeschmückte Holzhelme geschützt, zum Nahkampf vorrückten. Sie attackierten in loser Formation, um ihre »Breitschwerter« – ein Meter zwanzig lange, mit mehreren Reihen von Zähnen aus Obsidian besetzte Keulen – schwingen zu können. In der ersten der beiden Reihen, in denen sie vorrückten, kämpfte die Elite der aristokratischen Kämpfer, in der zweiten kampferprobte Gemeine. Die Kommandanten kämpften im Rotationsprinzip, um einer Erschöpfung vorzubeugen, und versuchten eine große Reserve in der Hinterhand zu halten, die im entscheidenden Augenblick die Linie verlängern sollte, um den Feind zu umfassen.
    Die aztekischen Armeen erkämpften das größte Reich, das Mesoamerika bis dahin gesehen hatte. Die Bevölkerung wuchs auf schätzungsweise vier Millionen; 200   000 allein lebten in der Hauptstadt Tenochtitlán. Die Ackerbauerträge erreichten neue Höhen, die Handelsnetze erstreckten sich weiter denn je, und die Haushalte florierten. Wir können nicht wissen, wie sicher man im Aztekenreich war, aber bruchstückhaft erhaltene Lyrik lässt darauf schließen, dass man sich definitiv sicher fühlte . »Stolz auf sich selbst ist die Stadt Mexico-Tenochtitlán«, hieß es in einem Lied. »Niemand fürchtet hier, im Krieg zu sterben. Dies ist unsere Zier!« 34
    In der Alten Welt sorgten Emigration, Assimilation und eigenständige Erfindungen für die Verbreitung des Ackerbaus und des Caging-Prozesses weit über deren eigentliche Heimat in den Glücklichen Breiten hinaus. Wenn Diamonds

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