Krieg – Wozu er gut ist
Ideen und Einrichtungen austauschen, ohne dieses Band mehr oder weniger ähnlich gearteter ökologischer Zonen (oder Biome, wie Geografen das nennen) zu verlassen. In den Amerikas dagegen hatten die Menschen nach Osten oder Westen nicht allzu viele Möglichkeiten, sich innerhalb eines Bioms zu bewegen, und um sich über die Längsachse des Kontinents auszubreiten, mussten sie sich nach Norden oder Süden aufmachen und dabei bedrohliche Wüsten und dichte Dschungel überwinden.
Das, so Diamond, könnte zwei Konsequenzen gehabt haben. Erstens blieben, weil es so viel schwieriger war, sich in Nord-Süd-Richtung zu bewegen als in Ost-West-Richtung, die Gemeinschaften, in denen sich Ideen und Einrichtungen austauschen ließen, in der Neuen Welt kleiner als in der Alten. Wenn es zum Beispiel in Eurasien wesentlich mehr Menschen gab, die Metall verarbeiten konnten als in den beiden Amerikas, und diese Menschenobendrein für deutlich größere Märkte produzierten, dann ist es nicht weiter verwunderlich, dass brauchbare Ideen wie Bronze eher in Eurasien als in Amerika aufkamen. Und zweitens, so Diamond weiter, werden sich brauchbare Ideen in der Alten Welt – in Ost-West-Richtung – weiter und schneller verbreitet haben als in der Neuen, wo sie in Nord-Süd-Richtung etliche Biomgrenzen zu überwinden hatten.
Das scheint sich recht gut mit den Fakten zu decken. Zur Zeit, als die Mesopotamier im 4. Jahrtausend v. Chr. Bronzewaffen erfanden, pflegten sie bereits Kontakte von Indien bis zum Mittelmeerraum, sodass dort mehr Menschen miteinander verbunden waren als je in Amerika vor dem Inkareich im 15. Jahrhundert n. Chr. Und als die Mesopotamier erst einmal Bronzewaffen hatten, verbreitete sich die Idee rasch die ganzen Glücklichen Breiten entlang; binnen 1 500 Jahren waren sie den Menschen auch in den Gebieten, die wir heute China und Großbritannien nennen, bekannt.
Die Antwort auf die Frage, weshalb die amerikanischen Ureinwohner nicht auf die Idee kamen, sich Bronzewaffen zuzulegen, wird noch diskutiert, aber Diamonds These sieht nach der derzeit besten aus; und das merkwürdige Muster der Verbreitung von Pfeil und Bogen in den Amerikas erklärt sie gar noch besser. Aus unbekannten Gründen sind den prähistorischen Jägern Pfeil und Bogen abhanden gekommen, als sie in Richtung Norden die Biome zwischen Afrika und Sibirien durchquert hatten und dann von Amerikas Norden wieder gen Süden gezogen waren. Es dauerte mehrere zehntausend Jahre, bis der Bogen im äußersten Zipfel Sibiriens angelangt war. Als Pfeil und Bogen mit der Durchquerung der Beringstraße nach Alaska um 2300 v. Chr. endlich die Amerikas erreichten, brauchten sie doppelt so lange, um sich zwischen Alaska und Mexiko auszubreiten, wie die eurasischen Bronzewaffen gebraucht hatten, um in etwa die gleiche Entfernung zwischen Mesopotamien und England zurückzulegen.
Falls Diamond damit richtig liegt, dass die Geografie bei der Entstehung dieser Unterschiede eine größere Rolle spielte als kulturelle Faktoren, sollte darüber hinaus ein weiteres Muster zu sehen sein. Wir sollten feststellen, dass zwar die Veränderungen in Amerika langsamer abliefen als in Eurasien, dass aber doch ihre allgemeine Richtung – vom Ackerbau über Caging-Prozess und produktiven Krieg hin zu Leviathan – dieselbe war.
Genau das lässt sich denn auch, im weitesten Sinne, feststellen. In den Ländern, die wir heute als Mexiko und Peru kennen, hatten die Menschen bis 4500 v. Chr. domestiziert, was an Pflanzen und Tieren verfügbar war.Zunächst hatte die Veränderung fast dasselbe Tempo wie in der Alten Welt. Im Nahen Osten dauerte es in etwa 4 000 Jahre, um von den ersten Bauern zu den ersten Leviathanen zu gelangen (in Uruk und Susa um etwa 3500 v. Chr.). In der Neuen Welt dauerte es etwa 4 500 Jahre, bis etwa um 100 v. Chr. ein Teotihuacán und eine Moche-Kultur entstand.
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Abbildung 3.13Geografie als Schicksal
Die Nord-Süd-Anordnung der Amerikas gegenüber der Ost-West-Ausrichtung Eurasiens
Östliche und westliche Hemisphäre entwickelten sich beide nach einem ähnlichen Muster von zwei Schritte vor und einen zurück; in beiden kam es dabei zu einer Reihe von Revolutionen des Militärwesens. In Mesoamerika führte Teotihuacán offenbar erstmals die regelmäßige, disziplinierte Formation ein; darüber hinaus vergrößerte es seine Armeen um ein Vielfaches. Bis 150 n. Chr. waren kleine Haufen ohne Helm, Schild oder Panzer
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