Krieger der Schatten - Traumlos im Bann der Nacht (German Edition)
Obgleich eine Frau, trotz der Tatsache, einen Kleiderschrank in der Größe einer Mall zu besitzen, nie genug haben konnte.
Dennoch würde sie vermutlich - ungeachtet der Auswahlmöglichkeiten - jeden Augenblick vor der elementarsten Frage stehen: Was sollte sie anziehen?
Zu ihrem Unglück besuchten Imre und Istvan diese Schule bereits ein paar Tage länger. Vermutlich würde es keine Rolle spielen, was sie trug. Gedanklich sah sie schon die Finger, die auf sie zeigten.
Unauffällige Kleidung war mit dem Hintergrund, dass Imre und Istvan sicher schon für den absolut bleibenden Eindruck gesorgt hatten, die beste Entscheidung.
Sie nahm sich eine schwarze Jeans und ein gleichfarbiges Shirt.
Sie verzichtete auf ihre geliebten Boots und schob ihre Füße hastig in schlichte Turnschuhe.
Imre hatte ihr in Budapest einen Laden gezeigt, in dem er gerne seine Kleidung kaufte. Die Boots waren ihr sofort ins Auge gefallen. Unzählige Nieten, Ketten und Metallspitzen zierten sie. Ein triumphierendes Lächeln hatte er ihr geschenkt, als sie sie kaufte. Jada hatte ihm wegen seines selbstgefälligen Grinsens daraufhin auf die Schulter geboxt. Schon immer hatte sie sich über seinen Kleidungsstil, der aus schwarzen Szenelabels bestand, beschwert und ausgerechnet sie, die immer nur einen abfälligen Seitenblick für seinen Geschmack übrig hatte, stürzte sich schon beim Betreten dieses Geschäftes auf genau diese Schuhe. Lange sorgte sie damit unter ihren Brüdern für Gesprächsstoff und nicht enden wollenden Spott.
Jada sah in dem antiken Spiegel, der ihr gegenüberstand, an sich herunter und schüttelte bei diesem Anblick hoffnungslos den Kopf.
Sie wirkte fast schon zerbrechlich und ihre durchscheinende helle Haut bildete einen so starken Kontrast zu ihren schwarzen, hüftlangen Locken, dass sie aussah, als wäre sie aus einem Lebenden- Toten- Film entsprungen.
Jada beneidete ihre Brüder um deren unglaubliche Schönheit. Sie waren groß und muskulös.
Und trotz seiner kalten Augen und dem verhärteten, unnahbaren Gesichtsausdruck war Isaac auf seine Art schön. Seine Gesichtszüge waren wie in Stein gemeißelt. Seine schulterlangen Haare trug er zu einem Zopf im Nacken zusammengebunden. Sie waren schwarz, genau wie die Farbe seiner Augen.
Imre war ein durchgeknallter Gothic Freak, an seinem Körper trug er unzählige Tätowierungen und Piercings.
Five Finger Death Punch erfüllte das Haus mit Hasstiraden, während sein Blick starr auf die Decke gerichtet war. Gerade wegen seiner Einzigartigkeit war er, auf seine ihm eigene Art, nahezu exotisch schön. Seine Haare waren schwarz und standen in einem wilden Durcheinander von seinem Kopf ab. Seine Augen waren, anders als Isaacs, braun. Das machte seine Gesichtszüge weicher.
Istvan war geradezu perfekt, noch dazu war er ein Gentleman. Meistens trug er seine schwarzen Haare kurz und geordnet. Und durch das Lachen, das seine Augen umspielte, wirkte das Schwarz seiner Augen alles andere als kalt.
Ein erneuter Blick in den Spiegel und Jadas Laune sank schlagartig in den Keller.
Sie und der Hund vom Nachbarn in Buda wären in diesem Augenblick wohl kaum noch auseinanderzuhalten gewesen.
Heilige Hölle! Aber zu machen war da schon lange nichts mehr.
Ohne dem Spiegel einen weiteren Blick zu gönnen und sich zu ärgern, wie ungerecht die Welt doch war, verließ sie das Zimmer und betrat den Flur. Sie folgte den Stimmen, die zu ihr empor hallten. Der lange Flur war dunkel und hellhörig.
Stöhnend verdrehte sie die Augen, als sie das schrille Lachen ihrer Tante Ava hörte. Sie freute sich auf den Augenblick, wenn sie endlich beim Kofferpacken helfen konnte.
Oh, ich hab mir den Nagel abgebrochen. Meine Haare liegen nicht, so kann ich nicht vor die Tür gehen.
Jada hatte dieses Getue so satt.
Sie klammerte sich an den Kaffeegeruch, der von unten zu ihr hinaufstieg, bevor sie schon bei dem bloßen Gedanken an ihre Tanten ein Aneurysma bekam.
Trotz ihrer Müdigkeit und dem für sie unerwarteten Treffen ihres Traumes unter der Dusche, der sie immer noch nicht wieder freigegeben hatte, betrat sie gut gelaunt die Küche. Staunende Ungläubigkeit lag auf den Gesichtern. Normalerweise war sie, bevor sie morgens keinen Kaffee getrunken hatte, keine gute Gesellschaft.
Besser gesagt: Sie war gar keine Gesellschaft, man ging ihr besser aus dem Weg.
Es war ihr erster Schultag in einer ganz normalen Schule, schon immer war dies ihr Wunsch. Niemand und nichts, außer ihrer eigenen
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