Krieger der Stille
Hieb aus.
»Die Männer meiner Leibgarde sind alle Legitimisten! Sie sind mir treu ergeben. Glaubt Ihr vielleicht, diese Leute ließen Euch nach Eurem Gutdünken schalten und walten? Wenn sie von Eurem Verrat erfahren …«
»Verrat?«, unterbrach Menati seinen Bruder in schneidendem Ton. »Habe ich nicht vor ein paar Minuten aus Eurem Mund vernommen, dass das Wort ›Verrat‹ allein auf die Klatschbasen des Hofes zutrifft? Auf Frauen, auf Kleingeister! Ihr habt dem Terminus ›Staatsraison‹ glaube ich den Vorzug gegeben … Und ohne die Ergebenheit Eurer Gedankenschützer wärt Ihr ebenso verletzlich wie ein Kind …«
Ranti Ang drehte sich abrupt um und starrte in die Gesichter unter den weißen, mit Rot gepaspelten Kapuzen. Ihm fiel ein, dass er in der Hast des frühen Aufbruchs vergessen hatte, ihre Identität zu verifizieren. Aber welche Bedeutung hatte das jetzt noch? Denn alle Scaythen vom Planeten Hyponeros, ob nun Gedankenschützer oder Inquisitoren, Freunde oder Feinde standen unter Pamynx’ Fuchtel …
»Wenn wir das alles hier inszeniert haben – nicht besonders elegant, wie ich zugeben muss –, so geschah es einzig und allein aus Rücksichtnahme auf die Empfindsamkeit einiger Offiziere Eurer Leibgarde. Die Männer wären schockiert gewesen, hätten wir Euch im Schlaf exekutiert. Und wir wollten kein neues Regime installieren, indem wir das Blut alter und treuer Diener unserer Familie
vergossen. Verrat heißt manchmal auch Vorsicht … Man sieht ja, wohin der Leichtsinn Tist d’Argolon gebracht hat – und Euren teuren Spergus.«
Ranti Ang wurde aschfahl. Er zitterte. »Spergus? Was habt Ihr mit Spergus gemacht?«, fragte er mit tonloser Stimme, seine ganze Würde außer Acht lassend. Er war nur mehr ein gedemütigter und verzweifelter Mann.
»Habt Ihr denn überhaupt keinen Stolz mehr? Ihr befindet Euch in den Gemächern Eurer Gemahlin. Antwortet ihm, Kardinal!«
Frajius Molanaliphül ließ sich nicht zweimal bitten und verkündete: »Das heilige Tribunal der Kirche des Kreuzes hat während einer außerordentlichen Sitzung in der heutigen Nacht des zweiundzwanzigsten Malinus einen gewissen Spergus Sibar, geboren auf dem uns verbündeten Planeten Osgor, animalischer, entwürdigender und frevelhafter sexueller Praktiken für schuldig befunden. Deswegen wurde Spergus zum langsamen Feuertod am Kreuz verurteilt. Die Sühne seiner kriminellen Handlungen hat beim Aufgang des Sterns des Ersten Tages, Rose Rubis, begonnen. Sie fand auf dem Platz der Artibanischen-Kriege statt, damit jeder Syracuser aus Venicia sieht, mit welcher Strafe die Feinde des göttlichen Wortes des Kreuzes zu rechnen haben.«
Ein quälendes Schweigen folgte der Erklärung des Kardinals. Etwas zerbrach in Ranti Ang. Eine unendliche Trauer spiegelte sich in seinen blauen Augen wider.
»Ihr müsst zugeben, viel Glück gehabt zu haben, Bruder«, sagte Menati Ang. »Euer hoher Rang schützt Euch vor den entsetzlichen Qualen, die der kleine Osgorite erleiden musste.«
»Macht dem endlich ein Ende!«, murmelte Ranti Ang.
»Ihr habt recht. Es wäre unschicklich, diese schmerzliche Pflicht länger als nötig hinauszuzögern.«
Auf einen mentalen Befehl von Pamynx hin, erschien ein in einen schwarzen Kapuzenmantel gekleideter Scaythe.
Verbittert dachte Ranti Ang, dass er durch die Bereitstellung von zusätzlichen Geldern für die Entwicklung des mentalen Tötens zu dieser Entwicklung beigetragen hatte. Er selbst hatte die Instrumente seines eigenen Todes finanziert. Doch was nützten derartige Überlegungen noch? Er glaubte, Spergus’ Todesschreie am Kreuz des Feuers zu hören.
Dann wandte er sich an seine Gemahlin. »Lebt wohl, Madame. Verzeiht mir alle meine Beleidigungen. Ihr hättet einen besseren Ehemann als mich verdient. Ihr hattet recht: Ich habe wie ein Blinder gelebt … Adieu …«
Tränen strömten über Dame Sibrits Wangen. Es war ihr nicht gelungen, die Liebe dieses Mannes zu gewinnen, aber sie war ihm nicht böse, nein, sie schenkte ihm ein Lächeln unendlicher Zärtlichkeit. Denn sie wollte, dass er ein anderes Bild von ihr in den Tod mitnahm: Das Bild einer Frau, die er hätte lieben können.
Der Scaythe im schwarzen Kapuzenmantel stand direkt vor Ranti Ang. Seine kalten schleimigen Tentakel durchforschten das Gehirn des Seigneurs von Syracusa. Er hatte das Gefühl, seine die beiden Hirnhälften verbindenden Nervenstränge würden zerrissen. Ein unerträglicher Schmerz explodierte in seinem
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