Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Krieger der Stille

Krieger der Stille

Titel: Krieger der Stille Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: P Bordage
Vom Netzwerk:
Höhleneingang.
    In der Höhle konnte er vage ein Strohlager, einen niedrigen Tisch und verschiedene Küchenutensilien erkennen.
    »Meine Sommerresidenz«, sagte der Narr. »Hier ist es
während der großen Hitzeperioden im Sommer angenehm kühl, und außerdem herrscht hier Stille, wenn ich das Bedürfnis verspüre, mich in mich selbst zurückzuziehen … Komm, leg dich unter die Decken, damit dir wieder warm wird. Du zitterst ja vor Kälte.«
    Shari tastete sich vorsichtig zu dem Strohlager und legte sich hin. Der Narr nahm ihm die nasse Decke ab und deckte ihn mit zwei Fellen zu, die einen säuerlichen, ranzigen Geruch ausströmten. Das Toben des Gewitters war zu einem fernen Grollen geworden.
    »Hast du Hunger?«, fragte der Narr.
    Shari starrte mit weit geöffneten Augen blicklos auf die Höhlenöffnung. Er antwortete nicht. Die Decken konnten seinen Körper wärmen, aber nichts konnte den Schmerz stillen, der sein Herz erfüllte. Der Narr setzte sich neben das Strohlager.
    »Ich weiß, was du fühlst, Shari«, sagte er leise tröstend. »Nichts als Schmerz über die Trennung von deiner Mutter. Doch du musst mir glauben: Ohne den Tod dieser Frau, die dir das Leben geschenkt hat, hättest du das Schicksal aller Einwohner Exods und der der Nachbarstädte teilen müssen. Die Zeit ist gekommen, wo das Universum in ein Zeitalter der Zerstörung eintritt – in das der Kaliyug. Dein Volk entgeht dem Untergang nicht, denn es hat das Erbe seiner Väter zerstört …«
    Er lehnte sich bequem gegen die Wand und fuhr fort: »Halaïne Jabrane hat dir eine Geschichte erzählt. Ich werde sie dir noch einmal erzählen, aber auf meine Weise …
    Vor langer, langer Zeit hieß dieser kleine blaue Planet Erde, und sie erfuhr eine herrliche Zeit. Einige Erdbewohner hatten sich um einen Seher geschart, der sie lehrte, in Frieden mit sich selbst zu leben. Diesen Erdbewohner,
auch Ouraten der Absolution oder Absouraten genannt, gelang es, alle Völker davon zu überzeugen, die Waffen niederzulegen, auf Eroberungen zu verzichten und sich gemeinsam daranzumachen, mit der Natur und allen anderen in Eintracht zu leben. So wurden im Lauf der Jahrhunderte alle umweltschädlichen Transportmittel und Industrien, alle Kriegsgeräte entweder aufgegeben oder zerstört … Jeder Erdbewohner genoss die innere Stille und bekam allein durch das Äußern eines Gedankens alles, was er sich wünschte. Da es gute und gerechte Wünsche waren, wurden sie Wirklichkeit. Riesige Städte mit Millionen Einwohnern voller Lebensfreude entwickelten eigene Kulturen, und aus der Erde wurde ein blühender Planet …
    Als der Seher seinen Körper verließ, schenkte er seinen Schülern eine neue Lehre, die Inddikische Wissenschaft. Doch dann geschah es, dass seine Anhänger sich wegen Kleinigkeiten stritten und in zwei Gruppen aufspalteten: in die Afrisier, mit Laomé Naflin an der Spitze, und die von Bernehard Amphan geführten Ameurynen. Nach hundert Jahren währenden Streitereien um die Vorherrschaft brach ein entsetzlicher Krieg aus, der in die universelle Geschichte als Krieg der Gedanken eingegangen ist. Die beiden gegnerischen Parteien benutzten die Antras des Lebens zu zerstörerischen Zwecken. Dieser Konflikt dauerte zwei Jahrhunderte. Und ihr unschätzbares Wissen diente ihnen nun nicht mehr, es säte nur noch Leid und Elend.
    Eines Tages fand die Entscheidungsschlacht auf der Ebene von Orop, in der Nähe der Stadt Scrabour, zwischen den fanatischen Amphanen – so nannte man sie nach ihrem Anführer Bernehard Amphan – und den Afrisiern statt. In den Geschichtsbüchern steht, dass ihre Todesgedanken
derart mächtig waren, dass alle Zivilisationen auf der Erde ausgelöscht wurden.
    Städte wurden von Erdbeben zerstört, gigantische Flutwellen verschlangen ganze Kontinente, und Vulkane spien Feuer, Gase und Lava aus. Atomare, von den Menschen unterirdisch gelagerte Rückstände wurden freigesetzt und verbreiteten die nukleare Pest. Doch einer Gruppe um Bertelin Naflin, einem Nachkommen des ersten Anführers der Afrisier, gelang es, mit dem Klang der Reise auf andere, weit entfernte Planeten zu gelangen, wo sie sich mit der einheimischen Bevölkerung vermischten. So blieben auf der Erde nur eine Handvoll Ameuryner übrig, die sich nach endlosen Wanderungen hier, am Fuß des Hymlyas-Gebirges niederließen, wo deren Priester, die Amphanen, Bruchstücke der Inddikischen Wissenschaft weiterpraktizierten: die Todes- und Jahreszeitenhymnen. Doch das taten sie

Weitere Kostenlose Bücher