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Krieger der Stille

Krieger der Stille

Titel: Krieger der Stille Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: P Bordage
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ihn!«
    Doch der Priester hob feierlich seine dürren Arme gen Himmel und verkündete: »Betet jetzt für diese beiden verlorenen Seelen, die bald vor ihren Richter treten. Betet, damit er ihnen seine Gnade zuteil werden lässt, und denkt über das Schicksal jener nach, die die göttlichen Gesetze missachten. Ihr, Männer und Frauen, ihr, die ihr euren Kindern den rechten Weg zeigen müsst, geht nicht der Fleischeslust außerhalb der heiligen Bande der Ehe nach, erlaubt euren Sinnen nicht, über euch zu herrschen … Lasst dieses Kind laufen! Es wird wie ein wildes Tier umherirren, doch bald werden Hunger, Durst und Angst es aus seinem Bau treiben. Kehrt jetzt in eure Wohnungen zurück, und verbringt die Nacht fastend, enthaltsam und schweigend in der Dunkelheit.«
    Die Ameurynen warfen noch einen letzten Blick auf die beiden Toten, die Frau und ihren Geliebten. Sie bevölkerten die Gassen und Straßen und eilten in ihre Höhlenwohnungen. Ihre hellen Festgewänder flatterten im Wind, ein geisterhafter Anblick. Es war, als wäre Exod von Gespenstern bevölkert. Aus tief hängenden Wolken fielen erste Regentropfen.
    Und die Frauen, die Liebesgeschichten mochten und die Männer, deren Mätressen sie waren, dachten darüber nach, dass wohl der Himmel das Tun der Priester verurteilt habe.
     
    Shari lief durch die Nacht, ohne zu wissen, wohin ihn seine Füße trugen. Das Bild seiner sterbenden Mutter ging
ihm nicht aus dem Kopf. Sie hatte die Kraft gehabt, trotz ihrer unendlichen Qualen ihn ihrer Liebe zu versichern – eine Herausforderung ihrer Folterer. Noch immer hörte er sie rufen: Flieh, sie sind bereits tot …
    Er lief eine lange Strecke, die Sicht von seinen Tränen und dem Regen getrübt. Über ihm flog in der Dunkelheit ein schwarz-weißer Aïoule. Er kämpfte mit kräftigen Flügelschlägen gegen den widrigen Wind an, um den Knaben nicht aus den Augen zu verlieren.
    Shari sank neben seinem großen Stein auf dem heiligen Feld zu Boden. Dorthin, zu seinem einzigen Freund, hatten ihn unbewusst seine Schritte gelenkt. Da lag er nun weinend mit dem Gesicht nach unten auf der vom Regen durchweichten Erde und wurde von seiner Trauer überwältigt.
    Zwischen Wolkenfetzen schaute ein bleicher Mond hervor und spiegelte sich in den glänzenden Felsen und schwarzen Pfützen. Shari fror; er fing an zu zittern.
    Jemand warf eine Decke über seinen Rücken, und er glaubte, dass die Amphanen ihn aufgespürt hatten. Gleich würden sie ihn schlagen, und er versteifte sich. Da nichts dergleichen geschah, hob er zögernd den Kopf. Neben ihm stand der Narr der Berge. Er lächelte freundlich, Regentropfen liefen über sein Gesicht. Sein Haar, sein Bart und sein graues Gewand wehten im Wind.
    »Du musst jetzt Mut fassen, kleiner Shari«, sagte er mit lauter, das Gewitter übertönenden Stimme. »Deine Mutter hat sich geopfert, um dir das Leben zu retten.«
    Die Augen des Kindes wurden vor Erstaunen groß.
    »Komm! Hier können wir nicht bleiben«, sprach der Narr weiter. »Wir suchen uns einen trockenen Unterschlupf, bis der Himmel sich beruhigt hat …«

    Er kniete sich hin und half Shari beim Aufstehen. Dann wischte er ihm mit einem Zipfel seines Gewandes den Schmutz vom Gesicht und vom Oberkörper und legte ihm zum Schutz gegen Regen und Wind die Decke um die Schultern.
    »Folge mir!«
    Sie verließen das amphanische Feld und gingen in Richtung Gebirge. Der Knabe lief wie ein Schlafwandler neben dem Narren her, so erschöpft war er. Das Terrain wurde immer unwegsamer, und manchmal mussten sie sich an Felsvorsprüngen festhalten, sonst wären sie von den immer heftiger werdenden Windböen erfasst worden. Blitze zuckten über den schwarzen Himmel, und in der Ferne grollte der Donner.
    Sie erklommen einen steilen Abhang, der auf ein Hochplateau führte. Das Gewitter wurde immer stärker. Es goss in Strömen, und Shari fürchtete, vom Wasser mitgerissen zu werden. Der Sturm peitschte die Äste des Dornengestrüpps und der Krüppelkiefern, die vereinzelt wuchsen.
    »Wir sind gleich da!«, schrie der Narr.
    Sie erreichten ein fast rundes Plateau, das auf der einen Seite von einer Mauer begrenzt wurde, während sich auf der anderen ein mit spitzen Pfeilern bestückter riesiger Abgrund auftat, wie Shari beim Aufleuchten der Blitze erkennen konnte.
    Er fragte sich, wie sie auf diesem den Elementen schutzlos ausgesetzten Terrain Schutz finden sollten. Der Narr ging zu einem in der Nacht leicht zu übersehenden Mauerspalt, einem

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