Krieger der Stille
ein bescheidener Mann und Erforscher der Vita Sri Lumpas, betrachte diese Feuersbrunst als ein Zeichen, dass er sich auf Selp Dik vorübergehend aufgehalten haben muss … Bitte, protestieren Sie nicht! Ich weiß, dass diese Annahme vielen von Ihnen absurd erscheint. Aber lassen Sie mich zu Ende sprechen … Ich bin überzeugt, Sri Lumpa hatte Kenntnis von diesen unterirdischen Gängen, und deshalb gelang es ihm, Naïa Phykit vor der Gefangennahme zu retten. Weiterhin ist es sehr wahrscheinlich, dass diese exhumierten Gebeine, die der von den Alten des Ordens ermordeten Ritter sind. Vielleicht befinden sich sogar die sterblichen Überreste des
Mahdis Seqoram unter ihnen … Ich bitte Sie! Lassen Sie mich ausreden … Doch meiner Meinung nach hat das nichts mit der Feuersbrunst zu tun. Die wurde allein von einem an Demenz erkrankten Ritter – dem berühmt-berüchtigten ›Narren der Finsternis‹ – ausgelöst, wie ich persönlich von direkten Nachkommen der Schüler Sri Lumpas erfahren habe. Jenem Ritter ist ebenfalls ein Lied selpdikischer Fischer gewidmet, und es heißt darin, dass er besiegt wurde von ›dem Zauberlehrling, der aus den Tränen der Feen gerettet wurde‹. Mit anderen Worten: dem künftigen Sri Lumpa … Ich bitte um Ruhe!
Sehen Sie, diese Überlegungen werfen ein ganz neues Licht auf die Geschichte und tragen, wie ich finde, zu ihrer Erhellung bei und natürlich ebenso auf eine bisher nicht bekannte Zeitspanne im Leben Sri Lumpas … Anstatt mich niederzubrüllen, sollten Sie mich lieber fragen, welche Argumente mich bewogen haben, diese Hypothese zu untermauern, denn Beweise dafür gibt es nicht …
Öffentlicher, sehr stürmisch verlaufender Vortrag des neoropäischen Historikers und Gelehrten Anatul Hujiak, Autor einer umstrittenen Biografie über Sri Lumpa
D ie Hände am Ruder, den Blick unter den weißen Brauen wachsam auf das Meer gerichtet, steuerte Kwen seine Aquakugel geschickt durch die Untiefen vor der Festungsmauer des Klosters.
Tixu starrte angestrengt auf den Eckturm, um jene versteckte Treppe zu entdecken, die in die Krypta führte. Er konnte sich an jede Einzelheit seiner geistigen Vision erinnern. Obwohl Eifersucht ihn noch immer quälte, war er fest entschlossen, Aphykit aus dem Kloster zu holen. Zwar machte er sich über die Gefühle der Syracuserin keine Illusionen mehr, aber er wusste, dass sie ohne seine Hilfe ein schreckliches Schicksal erleiden würde. Aphykit liebte ihn nicht, aber das war kein Grund, sie den langsamen und qualvollen Tod am Kreuz des Feuers sterben zu lassen. Und schließlich hatte sie ihm das kostbare Geschenk des Antra gemacht.
Tixu hatte große Überzeugungsarbeit leisten müssen, um dem Fischer die Notwendigkeit dieses Unternehmens zu erklären. Denn allein der Gedanke, heimlich in das Kloster einzudringen, hatte Kwen Daël mit Entsetzen erfüllt. Außerdem drohte jedem Bürger, der sich vor Tagesanbruch außerhalb seines Hauses aufhielt, die Todesstrafe. Doch er hatte seinem Gast bereits versprochen, ihn zu begleiten. Und dieses Versprechen durfte er nicht brechen, sonst würde er für immer als Lügner dastehen.
Und jetzt versuchte der arme Mann verzweifelt, seine Angst zu überwinden, eine Angst, die zudem von einem jahrhundertealten Aberglauben genährt wurde. Sein Gesicht so weiß wie sein Haupthaar, das er mit einem schwarzen Band zusammengebunden hatte.
In der Ozeankugel herrschte angespanntes Schweigen, während sie leicht über das ruhige Meer glitt. Es war Ebbe.
»Da! Halten Sie«, rief Tixu plötzlich. »Das ist die Stelle.«
Kwen Daël schaltete den Motor aus und ankerte. Die Aquakugel dümpelte am Fuß der hoch aufragenden Festungsmauer. Die seitliche Schleusenkammer öffnete sich, und sofort roch es stark nach Algen und Jod. Tixu ergriff den automatischen Dregganker – ein technologisches Meisterstück, denn der Fischer hatte drei Stunden gebraucht, um ihm dessen Funktionieren zu erklären – und ließ sich durch die Luke gleiten. Ehe er an Land ging, drehte er sich noch einmal um.
»Warten Sie hier auf mich. Wie vereinbart.«
Diese Aussicht schien Kwen Daël nicht sonderlich zu begeistern, denn an dieser Stelle war er den Blicken eventueller Feinde besonders ausgesetzt.
Den kleinen, mehrarmigen Anker um die Schulter gerollt, kletterte Tixu auf ein Mäuerchen vor der Festungsmauer und sprang dann auf den felsigen Boden, der nass und glitschig war. Er umrundete den Turm und suchte nach der Stelle, wo die
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