Krieger der Stille
Außentür über eine Treppe in die Krypta führte. Er fand sie, etwa dreißig Meter über seinem Kopf.
Er programmierte die Dregge, wie Kwen es ihm gezeigt hatte. Die dünne Schnur schnellte empor, und der mehrarmige
Anker krallte sich in der rauen Mauer fest. Tixu hielt sich an ihr fest und aktivierte das mechanische Hochziehen. Langsam glitt er nach oben.
Dort angekommen, konnte er nicht einmal das Meer sehen, geschweige denn die Aquakugel, nur ockerfarbene Steine. Die Türöffnung war so schmal, dass er sich nur mühsam hindurchquetschen konnte. Wie leicht doch sein Geist im Gegensatz zu seinem Körper diese Mauern durchdrungen hatte! Ehe er weiter ins Innere der Klostermauern eindrang, versteckte er seine Dregge unter einem Haufen Steine.
Noch wurden die ersten Treppenstufen spärlich vom eindringenden Tageslicht erhellt, doch vor ihm tat sich ein schwarzes Loch auf. Aus einer Tasche seines Overalls holte er die von dem Fischer entliehene Laserlampe und ließ ihren Strahl über die roh behauenen Stufen und Wände gleiten. Er ging vorsichtig die Treppe hinunter, trotzdem stolperte er mehrmals. Die Dunkelheit war undurchdringlich, viel intensiver als er sie aus seiner Vision in Erinnerung hatte. Manchmal versperrten ihm große Steine den Weg. Er musste müsham darübersteigen, schürfte sich Arme und Beine auf und stieß sich den Kopf an den herabhängenden Stalaktiten. Eine fast irreale Stille herrschte in dieser vergessenen unterirdischen Klosteranlage – dem dunklen Grab einer sich auflösenden Welt.
Plötzlich sah Tixu unter sich ein flackerndes Licht. Er erkannte in dem trüben Schein ein halb verfallenes Kellerfenster, dessen Vergitterung am Fuß der Treppe lag. Jemand war dort unten, und Tixu beschloss, größte Vorsicht walten zu lassen.
Er schaltete seine Taschenlampe aus und legte die letzten Meter im Dreck kriechend zurück. Dann entdeckte er
in der Krypta jenen seltsamen Mann, dem er bereits in seiner Vision begegnet war. Im Schein einer schwach glimmenden Lichtkugel war er damit beschäftigt, Bücherfilme und Videoholos aufzuhäufen, während er wie ein Teufel vor sich hin schimpfte und finster lachte. Auch äußerlich glich er einem Dämon mit seinem grotesk hässlichen Gesicht und Augen, aus denen der Wahnsinn stach. Die ausgebreiteten Arme in seiner schwarzen weit geschnittenen Robe glichen den Flügeln einer Riesenfledermaus. Tixu näherte sich dem Mann langsam.
Doch der spürte die Anwesenheit des anderen. Er drehte sich abrupt um, hob drohend die Faust und stürzte sich auf den Eindringling.
»Wer sind Sie? Was wollen Sie? Wer hat Ihnen erlaubt, hier einzudringen? Ich bin der Ritter Nobeer O’An, Arzt und Heiler des Ordens der Absolution. Und Sie, wie hießen Sie?«
Mit einem Fingerschnippen lenkte er die Lichtkugel über den Oranger. Ganz plötzlich war Tixus Geist vom Antra erfüllt. Er richtete sich auf, die Beine fest auf den Boden gestemmt und machte sich kampfbereit.
Doch der alte Mann wartete Tixus Antwort gar nicht ab, sondern dreht sich wieder um und begann einen unzusammenhängenden Monolog.
»Ich, Nobeer O’An, ich lasse nichts übrig … Keine einzige Spur darf übrig bleiben! Niemals darf jemand erfahren, was hier geschehen ist! Niemand, o nein! Niemand! Denn ich, Nobeer O’An, ich weiß, dass der Mahdi Seqoram uns schon vor Jahren verlassen hat. Ich weiß, dass er von den vier Weisen und dem Wächter der Reinheit der Lehre ermordet wurde. Seine sterblichen Überreste befinden sich in einem der Keller hier. Ich habe es gesehen! Ich
habe es gesehen! Aber ich habe geschwiegen. Ich habe nichts gesagt. Denn ich hatte Angst. Ich, ein Ritter! Wer sind Sie? Woher wissen Sie, dass diese Krypta existiert? Wir werden alle sterben, so wie der Mahdi Seqoram sterben musste, vor zweiundvierzig Jahren! Sie haben ihm einen Dolch ins Herz gebohrt. Nicht sie selbst, sondern ein Trapit, den sie danach getötet haben. Der Mahdi Seqoram wollte die Lehre erneuern, aber das wollten sie nicht, weil es dann keinen Platz mehr für sie in diesem Kloster gegeben hätte. Das wollten sie nicht. Sie haben ihn getötet. Sie haben ihren Meister getötet. Den Großmeister des Ordens der Absolution. Was haben Sie hier zu schaffen? Seit zweiundvierzig Jahren führen die Weisen und Plays Hurtig diese finstere Kommödie auf … Aber ich, Nobeer O’An, ich habe den Mahdi Seqoram gesehen, als ich jung war. Er war krank, und ich durfte den Meisterheiler, den Ritter Babadij, an sein Krankenbett
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