Krieger der Stille
Gefühle geweckt, die er für immer in sich begraben geglaubt hatte. Sie, eine ihm völlig Fremde, hatte den Schlüssel zu jener Tür gefunden, deren Schloss vom Rost schon ganz zerfressen war. Tixus Verstand – oder das, was davon noch übrig war – sagte ihm, dass er sie nie wieder sehen werde und dass es völlig idiotisch sei, das Gegenteil zu hoffen. Er konnte sich einfach nicht von ihr lösen; es war, als hätten ihre Gesten, ihre Stimme, ihr Duft ihn verzaubert, betört.
Er stellte sich eine Unmenge Fragen und fand nicht eine einzige Antwort. Und diese unbeantworteten Fragen führten zu weiteren unbeantworteten Fragen, und schließlich wirbelten sie alle in teuflischem Tanz in seinem übermüdeten Gehirn herum. Um diesem Durcheinander zu entkommen und seinem Denken Einhalt zu gebieten, hatte er versucht, in den gewohnt apathischen Zustand zu flüchten. Vergebens.
Was hatte diese wunderschöne Syracuserin auf dem Planeten Roter-Punkt zu suchen? Dem Planeten der Raskattas, der Müllhalde der Konföderation, der Drehscheibe aller Arten des Schmuggels, des Drogen- und Menschenhandels, dem Treffpunkt allen Abschaums, dem Hauptquartier aller Kriminellen, Gesetzlosen und Abenteurer der bekannten Welten. Das war eine gefährliche und anrüchige Welt, wo selbst die Präsenz der konföderierten Polizei nur symbolischen Charakter hatte, und die von Adeligen und reichen Spießern von den Planeten des Zentrums nur besucht wurde, um sich dort bizarren Vergnügungen hinzugeben. Vor allem in Matana, der alten Stadt und
Hochburg der einheimischen Prougen, in deren Labyrinth sich kein Fremder ohne eine Eskorte wagen konnte.
Der Inspobot war noch nicht gekommen. Obwohl Tixu wusste, dass man kurzen Prozess mit ihm machen würde, kostete er seine letzten Stunden in Freiheit – war er jemals frei gewesen? – nicht aus, denn die quälenden Gedanken in seinem Kopf ließen ihm keine Ruhe.
»Du weigerst dich also zu essen!«, schimpfte Moao Amba. »Und wenn du mein Essen ablehnst, behältst du auch dein Geld!«
»Du kannst nichts dafür, Moao«, murmelte Tixu geistesabwesend. »Warum sollte ich dich dann also nicht bezahlen?«
»Wirklich! Du machst mir Kummer«, seufzte der Sadumba. Er schnitt solche Grimassen und rollte mit den Augen, dass der Oranger wider Willen lächeln musste.
»Endlich!«, jubelte Moao Amba. »Endlich ein Lächeln auf deinem Gesicht zu sehen, macht mir große Freude. Das ist das erste Mal, seit du heute bei mir bist.«
»Moao Amba, warum glaubst du, laufe ich jeden Tag durch den Regen und werde klatschnass und krank von deinem Fraß?«, sagte Tixu und ging auf das Spiel des Wirts ein. »Meinst du etwa, ich würde deine Launen ertragen, wenn ich dich nicht gut leiden könnte?«
Kaum hatte er die Worte ausgesprochen, überkam ihn eine Vorahnung: Nie im Leben würde er Moao Amba, diesen elenden und nackten König einer miserablen Kaschemme wieder sehen. Das flüchtige Bild einer Gestalt, die in dem Reisebüro auf ihn wartete, tauchte vor seinem inneren Augen auf. Wahrscheinlich der Inspobot.
»Ich muss jetzt gehen. Adieu, Moao.«
Tixus Stimme brach, seine grauen Augen füllten sich
mit Tränen. Dieses Gefühl erschien ihm deplatziert, seit Ewigkeiten hatte er nicht mehr geweint.
»Adieu? Adieu? Das sagt man doch, wenn man die Freunde nicht wiedersieht«, protestierte der Koch. »Also denkst du, mich nicht wiederzusehen. Also heißt das … was ich koche, das magst du nicht mehr essen.«
»Ich habe dein Essen noch nie gemocht!«, zwang sich Tixu zu scherzen. »Aber du weißt schon, es genügt, dass ich von dieser verfluchten Hängebrücke falle und hopp! Adieu, Tixu Oty! Die Echsen werden nicht viel von mir übrig lassen.«
»Nein! Nichts riskierst du! Weil du, du auch nicht gut schmeckst!«
Moaos ohrenbetäubendes Lachen breitete sich im Raum aus. Zuerst fing sein fetter Körper zu wabbeln an, dann erzitterten die dünnen Wände seiner Küche und schließlich begannen die Stühle, Tische und Tabletts mit ihren Gedecken im Restaurant und auf der Terrasse zu beben und zu schwanken. Es war ein Lachen, über das noch tagelang gesprochen wurde.
Tixu schenkte dem fröhlichen Sadumba einen letzten liebevollen Blick, stand auf, ging durch die Gaststube und grüßte im Vorbeigehen einige Gäste.
Der mit dicken glitschigen Tauen versehene Steg schwankte bedenklich unter seinem Gewicht. Unter ihm tummelten sich fünf oder sechs Echsen. Sie peitschten das träge dahinfließende Wasser mit ihren
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