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Krieger der Stille

Krieger der Stille

Titel: Krieger der Stille Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: P Bordage
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dass hinter dem Ton, dem Klang, die Stille herrscht – das Xui –, und diese Stille errichtet einen unüberwindbaren Schutzwall. Der Klang allein erlaubt es, die Festung der Stille zu errichten  – ein uneinnehmbares Bauwerk, vor dem der Feind seine Waffen niederlegt, ehe er anfängt zu kämpfen. In seinen Anfängen kam der Orden kriegerischen Auseinandersetzungen zuvor, ehe sie aufflammen konnten. Der Orden war eine Institution des Friedens.«
    »Das ist er noch immer!«
    »Sagen wir lieber, Ihr haltet ihn dafür. Im Laufe der Jahre hat sich der Klang draußen manifestiert. Er ist zu einer Waffe geworden, und dient wie alle Waffen der Zerstörung. Der Orden selbst hat seinen Schutzwall zerstört. Kennt Ihr die uralte Legende von den Trompeten Jerichos? Nein? Das macht nichts. Der Orden hat die Festung verlassen und sich leichtsinnigerweise auf das Gebiet der Materie begeben. Er mischt sich in weltliche Angelegenheiten und ist zu einer Waffe des Krieges geworden. Er riskiert,
früher oder später vor einer anderen stärkeren Kriegswaffe kapitulieren zu müssen. Und eine Waffe des Friedens gibt als Waffe des Kriegs ein ziemlich jämmerliches Bild ab, findet Ihr nicht? Und was die Festung der Stille betrifft, da sie jetzt verlassen ist, wird sie wahrscheinlich bereits belagert oder wurde vielleicht sogar schon eingenommen. Denn wie alle gewöhnlichen Kriegsarmeen hat der Orden im Laufe der Jahrhunderte durch seine straffe Organisation sein eigentliches Wesen eingebüßt. Die Hierarchie hat das Leben vergiftet. Doch Leben heißt permanente Evolution, nicht wahr? Müssten sich die Strukturen nicht der Evolution beugen? Was ist die Tradition noch wert, wenn sie nicht viel mehr als eine leere Hülse ist?«
    Long-Shu Pae schwieg. Ein bedrückendes Gefühl tiefer Verzweiflung überkam ihn. Früher einmal hatte er die Möglichkeit gehabt, Himmel und Erde zu bewegen, Götter und Dämonen herauszufordern, seine Überzeugungen in den Sturmwind hinauszuschreien. Doch das hatte er aus Feigheit nie getan. Jetzt blieb ihm nichts mehr, als sich einem lauen Anflug des Bedauerns zu stellen.
    »Dieser Fanatismus ist eine Krankheit, eine Seuche«, fuhr er müde fort. »Sie macht herzlos und kalt. Sie verwandelt ein fruchtbares Tal in eine Wüste und einen gesunden jungen Mann in einen Heuchler. Sie beutet schamlos Idealisten aus. Sie trübt den Blick und lähmt den Fortschritt … Doch das Leben sprengt eines Tages diese Fesseln und kommt wieder zu seinem Recht … Das sind einige der Gründe, die mich … zweifeln lassen, Krieger. Diese Erstarrung ist vielleicht nichts anderes als eine unabwendbare Erscheinung dieser Zeit, das zwangsläufige Ende eines Zyklus … Wie auch immer: Durch meine Feigheit habe ich mich selbst dazu verurteilt, zum machtlosen Zeugen des Niedergangs
einer Welt zu werden. Doch genug von mir! Durch mein Gerede verliert Ihr kostbare Zeit. Wenn Ihr auf diesen Planeten der Verdammten gereist seid, habt Ihr eine Mission zu erfüllen, und seid nicht gekommen, um Euch das wirre Gerede eines alten Abtrünnigen anzuhören.«
    Obwohl die vier Weisen des Gremiums Filp Asmussa indoktriniert hatten, erwies sich dieser mentale Schutz als ziemlich erbärmlich, denn in den Worten des Ritters Long-Shu Pae lag eine solche Kraft, dass seine tiefsten Überzeugungen ins Wanken gerieten. Seine Schwäche erschreckte ihn zutiefst, und gleichzeitig wurde ihm bewusst, wie weit er noch vom Wissensstand der Ritter des Ordens entfernt war, in deren Kreis er baldmöglichst aufgenommen zu werden hoffte.
    Sogar Kraouphas war den Ausführungen Long-Shu Paes aufmerksam gefolgt. Der Prouge kannte den Ritter seit mehr als zwanzig Jahren und jetzt beobachtete er ihn, die schweren Lider seiner Augen halb geschlossen.
    Filp Asmussa indessen gab sich Mühe, seine Haltung wiederzufinden. Dieser Versuch, ihn ins Schwanken zu bringen, war eine Prüfung. Vielleicht war dies die letzte vom Kollegium auferlegte Prüfung, um seine Eignung zum Ritter festzustellen. Also straffte er die Schultern, richtete sich kerzengerade auf und sah Long-Shu Pae entschlossen in die Augen; Augen, die jetzt erloschenen Sternen glichen.
    »Die Vergangenheit ist tot!«, verkündete er mit tönender Stimme, in der sein Gesprächspartner trotz ihrer Lautstärke die Brüchigkeit wahrnahm. »Ihr scheint diese Devise vergessen zu haben: Allein der Anwesende lebt. Ihr sprecht von einer permanenten Evolution, nicht wahr? Ihr selbst habt Euch nicht mit dem Orden

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