Krieger des Feuers - Sanderson, B: Krieger des Feuers - The Well of Ascension, Mistborn 2
dass wir vielleicht einen anderen Weg gefunden hätten?«
»Ihr seid recht harsch, Herrin.«
»Du wolltest es wissen«, verteidigte sich Vin. »Kurz nach seinem Tod war es am schlimmsten. Als du auf seine Anordnung hin zu meinem Diener wurdest. Du hast nie über das geredet, was du damals getan hast.«
»Der Vertrag, Herrin«, sagte OreSeur. »Ihr hört es vielleicht nicht gern, aber ich war vertraglich gebunden. Kelsier wollte nicht, dass Ihr über seine Pläne Bescheid wisst, daher durfte ich es Euch nicht sagen. Ihr könnt mich hassen, wenn Ihr wollt, aber ich bedauere meine Handlungen nicht.«
»Ich hasse dich nicht.« Darüber bin ich hinweg. »Würdest du den Vertrag nicht einmal zu deinem eigenen Vorteil brechen? Du hast Kelsier zwei Jahre lang gedient. Hat es dir nicht wehgetan, als du wusstest, dass er sterben wird?«
»Warum sollte es mir etwas ausmachen, wenn der eine oder andere Meister stirbt?«, fragte OreSeur zurück. »Es gibt immer jemanden, der seinen Platz einnimmt.«
»Kelsier war kein beliebiger Meister«, beharrte Vin.
»Nein?«
»Nein.«
»Ich bitte um Entschuldigung, Herrin«, sagte OreSeur. »Dann werde ich eben glauben, was Ihr mir zu glauben befehlt.«
Vin öffnete den Mund und wollte etwas entgegnen, aber dann schloss sie ihn wieder. Wenn er unbedingt wie ein Narr denken wollte, dann hatte er jedes Recht dazu. Sollte er doch weiterhin seine Herren verachten, so wie …
So wie sie ihn verachtete. Weil er sein Wort hielt. Weil er seinen Vertrag erfüllte.
Seit ich ihn kenne, behandle ich ihn schlecht, dachte sie. Als er
noch Renoux war, habe ich mich gegen seine anmaßende Haltung aufgelehnt – aber diese Haltung war nicht seine eigene; sie gehörte zu der Rolle, die er spielen musste. Und als OreSeur bin ich ihm aus dem Weg gegangen. Ich habe ihn sogar dafür gehasst, dass er Kelsiers Tod nicht verhindert hat. Und nun habe ich ihn in den Körper eines Tieres gezwungen.
Und in den zwei Jahren unserer Bekanntschaft habe ich ihn nur dann nach seinem Volk und seiner Vergangenheit gefragt, wenn ich mir davon Aufschluss über den Verräter versprochen habe.
Vin beobachtete den Nebel. Von allen Mitgliedern der Mannschaft war nur OreSeur ein Außenseiter. Er wurde nicht zu den Besprechungen eingeladen. Er hatte keinen Posten in der Regierung erhalten. Er war genauso hilfreich wie die anderen gewesen und hatte eine wichtige Rolle gespielt – die des »Geistes« Kelsier, der aus dem Grabe zurückgekehrt war, um die letzte Rebellion der Skaa zu entfachen. Doch während der Rest Titel und Freundschaften erhalten hatte, war das Einzige, das OreSeur durch den Umsturz des Letzten Reiches erlangt hatte, eine neue Herrin gewesen.
Eine, die ihn hasste.
Kein Wunder, dass er so reagiert, dachte Vin. Kelsiers letzte Worte an sie kamen ihr wieder in den Sinn. Du musst noch eine Menge über Freundschaft lernen, Vin … Kell und die anderen hatten sie aufgenommen und sie mit Würde und Freundlichkeit behandelt, obwohl Vin nichts davon verdient hatte.
»OreSeur«, sagte sie, »wie hat dein Leben ausgesehen, bevor Kelsier dich angeworben hat?«
»Ich weiß nicht, was das mit der Überführung des Verräters zu tun hat, Herrin«, sagte OreSeur.
»Gar nichts«, gestand Vin. »Ich bin nur der Meinung, dass ich dich besser kennenlernen sollte.«
»Ich bitte um Entschuldigung, Herrin, aber ich will nicht, dass Ihr mich kennenlernt.«
Vin seufzte. So viel dazu.
Aber … Kelsier und die anderen hatten sich nicht von ihr
abgewandt, als sie offen ihre Meinung gesagt hatte. Etwas an OreSeurs Worten klang vertraut für sie. Sie erkannte etwas darin wieder.
»Anonymität«, sagte Vin leise.
»Herrin?«
»Anonymität. Du versteckst dich, auch wenn du mit anderen zusammen bist. Du bist still und bescheiden. Du zwingst dich, abgesondert von den anderen zu bleiben – zumindest innerlich. Das ist eine Lebensart. Es ist ein Schutz.«
OreSeur erwiderte nichts darauf.
»Du dienst deinen Meistern«, fuhr Vin fort. »Harten Meistern, die deine Fähigkeiten fürchten. Du sorgst dafür, dass sie dich kaum bemerken, damit du nicht ihren Hass auf dich ziehst. Also tust du so, als wärest du klein und schwach. Keine Bedrohung für sie. Aber manchmal sagst du etwas Falsches oder lässt dein rebellisches Wesen durchscheinen.«
Sie wandte sich ihm zu. Er beobachtete sie. »Ja«, sagte er endlich und schaute wieder hinaus über die Stadt.
»Sie hassen dich«, sagte Vin langsam. »Sie hassen dich wegen deiner Macht
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