Krieger des Feuers - Sanderson, B: Krieger des Feuers - The Well of Ascension, Mistborn 2
ein kostbares
Gut sein würde, und so hatten sie nicht nur für Nahrungsmittel die Preise erhöht.
Sazed kniete neben einer weinenden Frau nieder. »Ganz ruhig, Genedere«, sagte er; sein Kupfergeist hatte ihm ihren Namen in Erinnerung gerufen.
Sie schüttelte den Kopf. Bei dem Angriff der Kolosse hatte sie drei Kinder verloren und zwei weitere auf der Flucht nach Luthadel. Und nun war das letzte – ein Säugling, den sie den ganzen Weg bis hierhergebracht hatte – krank. Sazed nahm ihr das Kind aus den Armen und untersuchte sorgfältig dessen Symptome. Seit gestern hatte sich kaum etwas verändert.
»Besteht noch Hoffnung, Meister Terriser?«, fragte Genedere.
Sazed schaute hinunter auf das dünne, glasäugige Kind. Es stand nicht gut um es. Doch wie konnte er ihr die Wahrheit sagen?
»Solange es noch atmet, dürfen wir hoffen, gute Frau«, sagte Sazed. »Ich werde den König bitten, deine Essensration zu erhöhen. Du brauchst Kraft, um es zu säugen. Du musst es warm halten. Bleib in der Nähe der Feuer und nimm ein feuchtes Tuch, mit dem du ihm Wasser in den Mund träufelst, wenn es nicht gerade isst. Dieser kleine Junge braucht sehr viel Flüssigkeit.«
Genedere nickte benommen und nahm das Kind wieder entgegen. Sazed wünschte sich so sehr, er könnte ihr mehr geben. Ein Dutzend verschiedener Religionen kam ihm in den Sinn. Er hatte sein ganzes Leben damit verbracht, die Leute dazu zu ermuntern, an etwas anderes als den Obersten Herrscher zu glauben. Doch aus irgendeinem Grund fiel es ihm im Augenblick schwer, Genedere eine dieser Religionen näherzubringen.
Vor dem Zusammenbruch war es anders gewesen. Jedes Mal, wenn er über Religion gesprochen hatte, hatte Sazed rebellische Empfindungen gehabt. Selbst wenn die Menschen das, was er sie lehrte, nicht annehmen wollten – so war es oft gewesen –, hatten seine Worte sie immer wieder daran erinnert, dass es andere Lehren als die des Stahlministeriums gab.
Doch jetzt gab es nichts mehr, wogegen er rebellieren konnte.
Der furchtbare Kummer, den er auf Genederes Gesicht sah, machte es ihm schwer, über lange vergangene Religionen und lange vergessene Götter zu reden. Solche Geheimlehren würden dieser Frau nicht ihren Schmerz nehmen.
Sazed stand auf und bewegte sich auf die nächste Flüchtlingsgruppe zu.
»Sazed?«
Er drehte sich um. Es war ihm entgangen, dass Tindwyl das Lagerhaus betreten hatte. Die Türen des großen Gebäudes waren vor der herannahenden Nacht geschlossen worden, und die Feuerstellen im Inneren spendeten nur unbeständiges Licht. Löcher war ins Dach gebrochen worden, damit der Rauch abziehen konnte; wenn man nach oben schaute, konnte man sehen, wie Nebelschwaden in den großen Raum krochen; allerdings lösten sie sich auf, noch bevor sie die halbe Strecke zum Boden zurückgelegt hatten.
Die Flüchtlinge hoben den Blick nicht oft zum Dach. »Du bist fast den ganzen Tag hier gewesen«, sagte Tindwyl. Es war bemerkenswert still im Raum, wenn man bedachte, wie viele Personen sich in ihm aufhielten. Feuer knisterten, und die Menschen lagen stumm vor Schmerz oder Betäubung da.
»Es sind viele Verwundete hier«, erklärte Sazed. »Ich glaube, ich bin am besten dazu geeignet, nach ihnen zu sehen. Ich bin nicht allein. Der König hat noch andere hergeschickt, und auch Graf Weher ist hier und besänftigt die verzweifelten Menschen.«
Sazed deutete mit dem Kopf zur Seite, wo Weher in einem Sessel saß und scheinbar in einem Buch las. In diesem Raum wirkte er schrecklich fehl am Platze, denn er trug seinen eleganten dreiteiligen Anzug. Doch seine bloße Gegenwart war für Sazed höchst bemerkenswert.
Diese armen Leute, dachte er. Unter dem Obersten Herrscher war ihr Leben schrecklich gewesen. Und nun ist ihnen sogar das Wenige, das sie noch hatten, genommen worden. Es war nur eine kleine Zahl – etwa vierhundert Menschen –, während in Luthadel noch Hunderttausende lebten.
Was würde geschehen, wenn den letzten Läden die Waren ausgingen? Über die vergifteten Brunnen liefen viele Gerüchte umher, und Sazed hatte gehört, dass auch auf die gelagerten Nahrungsmittel Anschläge verübt worden waren. Was würde mit diesen Leuten geschehen? Wie lange konnten sie die Belagerung noch ertragen?
Und was würde passieren, wenn die Belagerung endete? Wenn die Armeen angriffen und die Stadt plünderten? Welche Zerstörung und welchen Kummer würden die Soldaten auf ihrer Suche nach dem versteckten Atium verursachen?
»Du sorgst dich um
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