Krieger des Lichts: Ungezähmtes Herz (German Edition)
Chaos. Alles, was er jetzt noch spürte, war der quälend brennende Schmerz, der ihn mit Haut und Haar verschlang.
Sein Körper würde weiterleben, da er so gut wie unsterblich war.
Doch sein Leben … war vorbei.
1
Heute
Auf vier Pfoten streifte Kougar durch die Straßen von Harpers Ferry, West Virginia. Immer wieder schlüpfte er in die nächtlichen Schatten der Gebäude aus dem neunzehnten Jahrhundert, die sich gegen den mondbeschienen Himmel erhoben und so still dalagen wie die Toten der Sezessionskriege oben auf dem Friedhofshügel. Seit der Schlacht vor vier Tagen – einem Kampf zwischen den Kriegern des Lichts, den Zauberern und den drei Geisterdämonen, die die Zauberer befreien konnten – war er allein durch diese Stadt gewandert.
Natürlich hatten die Krieger gewonnen, doch der Preis, den sie dafür hatten zahlen müssen, war den Sieg nicht wert gewesen. Zwei der Krieger, Hawke und Tighe, waren im Strudel der Zauberer verschwunden. In dieser Geistfalle wurden die Männer von ihrem Tier getrennt, und zwar innerhalb weniger Tage. Es blieb ihnen nicht viel Zeit, um die Krieger zu retten.
Und es gab nur einen Weg.
Lediglich eine Person hatte es jemals geschafft, in die Geistfalle einzudringen und sie lebend wieder zu verlassen. Eine Frau, die sich in Nebel verwandeln konnte, wenn sie wollte. Die Königin der Ilinas.
Aus Kougars Katzenkehle drang ein tiefes Knurren, als brennender Hass in ihm aufstieg.
Nur eine Frau konnte seine Brüder und deren Tiere retten.
Ariana, dieses Miststück, seine Frau.
Er hatte geglaubt, sie wäre tot. Tausend Jahre lang hatte er um sie getrauert, bis er vor einundzwanzig Jahren die Wahrheit erfuhr – dass Ariana und ihre Rasse ihren Untergang nur vorgetäuscht hatten, nachdem der böse Geist über sie gekommen war. An dieser Erkenntnis war er fast zerbrochen, bis er sich in Erinnerung rief, dass die Frau, die er einst liebte, nicht mehr existierte, verloren war an den bösen Geist, der sich ihrer Seele bemächtigt hatte. Seine geliebte Ariana hätte ihn niemals in dieser Weise getäuscht.
Als er herausfand, dass sie noch lebte, hatte er sich geweigert, sie aufzuspüren. Er hätte den seelenlosen Blick aus ihren toten Augen nicht ertragen. Doch mit der Gefangennahme von Hawke und Tighe vor vier Tagen hatte sich alles geändert. Er musste sie finden und zwingen, die Geistfalle aufzubrechen und die beiden zu befreien.
Das Problem war nur, dass er nicht wusste, wo sie war.
Auf Raubtierpranken rannte er zwischen zwei dicht nebeneinanderstehenden Backsteingebäuden hindurch und den nächtlichen Hügel hinauf, während das scharfe, rhythmische Pochen der Verzweiflung durch seine Adern dröhnte. Das Rauschen der beiden Flüsse, die Harpers Ferry flankierten, wurde vom Rattern eines herannahenden Zuges übertönt. Die Geräusche schienen immer lauter zu werden, bis sogar das Zirpen der Insekten zu einem Kreischen in seinen Ohren wurde.
Oh heilige Göttin, seine Sinne waren vollkommen hinüber. Als Ariana ihre Paarbindung, die eigentlich für alle Ewigkeit bestimmt war, zerstörte, versetzte ihn das für ein Jahrtausend in einen Zustand zwischen Leben und Tod, der mit erstarrten Gefühlen und quasi unbrauchbaren Sinnen einherging. So war es bis vor fünf Tagen gewesen, bis er in eine Falle von Dämonen und Zauberern geraten und dem Tode sehr nahe gekommen war. Plötzlich hatte Melisande mit ihrer typisch finsteren Miene vor ihm gestanden – warum, konnte er sich beim besten Willen nicht erklären – und die Paarbindung zwischen ihm und Ariana wiederhergestellt. Anscheinend brauchte seine Frau ihn noch – lebend.
Nachdem das Band neu geknüpft war, hatte er seine Wahrnehmungsfähigkeiten auf an Wahnsinn grenzende Weise zurückbekommen, fast als wäre er in einen kaleidoskopartigen Strudel gestürzt. Mal waren alle Farben um ein Hundertfaches zu intensiv, dann leuchteten sie so heftig auf, als würden sie gleich explodieren, ehe sie auf einmal wieder ergrauten. Glücklicherweise war dieses Gewitter aus Farben mittlerweile erloschen, und die meisten seiner Sinne funktionierten wieder normal. Bis auf sein Gehör.
Und seine Gefühle.
Er hetzte über den alten Friedhof von Harper hinweg auf Jefferson Rock zu, wo er in jeder Nacht irgendwann voll brennender Wut und Verzweiflung landete. Allmählich spürte er … zu viel. Den Wind im Gesicht, die Felsen unter den Pranken. Und einen solch rasenden Zorn, dass er am liebsten jemanden … egal wen … in Stücke gerissen
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